100 Prozent Erneuerbare: Zwei Wege
Wenn wir die Klimaneutralität erreichen möchten, ist eine Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen ein notwendiger erster Schritt. Wie schwierig dieser Umstieg wird, hängt stark von den regionalen klimatischen und geografischen Bedingungen ab. Aber auch ein alternatives, auf Commons basierendes Wirtschaftsmodell könnte helfen.
Hundert Prozent Erneuerbare bedeutet weit mehr als nur die Umstellung der Stromerzeugung. Eine wirklich klimaneutrale Energieversorgung muss auch die Industrie- und Haushaltsenergie und den Verkehr bedenken. Diese Sektoren hängen heute in den meisten Ländern stark von fossilen Brennstoffen wie Erdöl, Gas und Kohle ab.
Dennoch bildet die erneuerbare Stromerzeugung das Rückgrat einer solchen Energiewende. Viele Aktivitäten der genannten Sektoren, etwa Heizung, Stahlherstellung, Auto- und Eisenbahnverkehr müssen elektrifiziert oder auf Wasserstoff umgestellt werden, um das 100-Prozent-Ziel zu erreichen.
Der Schwierigkeitsgrad der Umstellung in einem bestimmten Land oder einer Großregion hängt primär von zwei Faktoren ab. Zum einen sind dies die tages- und jahreszeitlichen Schwankungen der erneuerbaren Energieerzeugung. Besonders eine Verfügbarkeit von großen Mengen Wasserkraft erleichtert die Energiewende enorm. Diese kann nicht nur meistens (nahezu) klimaneutrale Energie das ganze Jahr über bieten, sondern auch Energie anderer, stärker schwankender Quellen wie Sonne und Wind speichern. Außerdem liefern Wasserkraftwerke in der Regel auch während sogenannter Dunkelflauten Energie, wenn weder genug Sonne noch Wind verfügbar ist.
Sind große Wasserkraft-Ressourcen vorhanden, kann auch Strom aus Nachbarregionen und -Ländern gespeichert werden. Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke etwa in Österreich, Norwegen und Schweden fungieren bereits heute als Batterie für Wind- und Sonnenstrom aus großen mitteleuropäischen Volkswirtschaften wie Deutschland. In einigen Ländern kann auch Geothermie einen großen Beitrag zu einer stabilen Energieversorgung leisten, etwa in Island und El Salvador. Dazu kommt die Solarthermie in Regionen mit hoher Sonneneinstrahlung, die wegen ihrer guten Zwischenspeicherbarkeit auch nachts Energie liefert.
(Dieser Text ist Teil einer Einführung in die Konzepte, die in diesem Blog besprochen werden: #1 Das Goldene Zeitalter der Klimaneutralität, #2 100% Erneuerbare (dieser Post), #3 Anreizbasierte Commons, y #4 Freie Grundversorgung.)
Der zweite bedeutende Faktor für die Schwierigkeit der Umstellung ist die Bevölkerungs- und Industriedichte. Je dichter ein Land besiedelt ist, und je mehr Schwerindustrie es aufweist, um so komplizierter wird es. Diese liegt nicht nur an der Energienachfrage, sondern auch daran, dass in dichter besiedelten Regionen mehr Wettbewerb um Flächen besteht. So kommt es oftmals zu lokalen Widerständen gegen Wind- und Solarparks. In Ländern wie Deutschland mit seinen über 230 Einwohnern pro Quadratkilometern ist daher besonders der Zubau von Windenergie ein aufgrund von Genehmigungen und Verträglichkeitsstudien langwieriger und nicht immer von Erfolg gekrönter Prozess.
Angesichts dieser beiden Faktoren können einige Regionen wegen ihres Potenzials einer stabilen Stromversorgung über Erneuerbare Energien gekoppelt mit relativ niedriger Bevölkerungsdichte relativ schnell klimaneutral werden. Sie hätten womöglich auch das Potenzial, andere Regionen teilweise mitzuversorgen. Wir wollen diese Regionen Energie-Hotspots nennen. Beispiele wären in Europa Skandinavien, die mitteleuropäische Nord- und Ostseeküste, Zentralspanien sowie global gesehen die Sahara, Brasilien, das Altiplano in den Anden, Patagonien oder der Südwesten der USA.
Der Standardweg: Verschiedene bekannte Ansätze kombinieren
Was tun, wenn eine dicht bevölkerte Region auf wenig oder hauptsächlich jahres- und tageszeitlich stark schwankende erneuerbare Energiequellen zurückgreifen kann? Die heute vorgeschlagenen Lösungen für dieses Problem – ohne “Brückentechnologien” wie Kernenergie zu berücksichtigen – kann man zu vier Strategien zusammenfassen. Sie basieren auf bereits bekannten Technologien, auch wenn sich in einigen Fällen die besten Lösungen noch im Pilotstadium befinden.
Die einfachste Methode ist, sich mit Nachbarregionen mit besserer Verfügbarkeit stabiler erneuerbarer Quellen wie Wasserkraft zu vernetzen. Oben wurden bereits die Fälle Österreich und Norwegen beschrieben. Selbst wenn dort ebenfalls Wind- und Sonnenenergie vorherrschen können die unterschiedlichen Verfügbarkeiten aufgrund verschiedener Wetterlagen zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen. Dieser Ansatz löst nur selten alle Probleme, kann aber oft seinen Teil zur Klimaneutralität beitragen.
Zweitens ist die Installation von alternativen Speichertechnologien zu nennen. Neben Pumpspeichern gibt es in einigen Ländern wie China 2024 bereits eine erhebliche Kapazität in Batteriespeicherkraftwerken. Dazu kommen weitere Technologien, die gerade erprobt werden, etwa Lageenergiespeicher. Eine dezentrale Batteriespeicherung etwa in Elektroautos ist ebenfalls möglich, sollte aber nicht überschätzt werden.
Eine dritte Alternative ist der Ausbau der Nutzung von Biomasse. Dieser Ansatz wird kontrovers beurteilt. Grundsätzlich ist er nur dann sinnvoll, wenn die Rohstoffe aus Abfällen stammen, etwa bei Biogasanlagen in Agrarbetrieben, die mit Gülle oder Ernteresten arbeiten. Wird stattdessen Holz geschlagen und verbrannt, ist dieser Ansatz nicht klimafreundlich, da Wälder als Kohlendioxid-Senken fungieren und Bäume langsam nachwachsen.
Schließlich bleibt die teuerste Alternative zu nennen: der Aufbau einer Infrastruktur für grünen Wasserstoff. Eine solche ist in Regionen mit hoher Industriedichte unumgänglich. Sie sollte jedoch nicht als Allheilmittel angesehen werden, denn sie ist wie gesagt teuer und aufwändig.
In vielen Fällen ist der beste Ansatz eine Kombination aller oder mehrerer dieser Strategien. Trotzdem bleibt die Umsetzung in vielen Fällen eine Herausforderung. Vielleicht ließen sich Kosten und Aufwand mit einem alternativen Ansatz senken.
Günstigere Alternativstrategien - die aber einen Wandel benötigen
Der Standardweg, den wir oben beschrieben haben, geht von der Voraussetzung aus, dass die wirtschaftlich-industrielle Struktur eines Landes oder einer Region nahezu vollständig unverändert bleibt. Wo jahrzehntelang etwa Autos hergestellt wurden, würden auch in diesem Szenario Fahrzeuge (auch wenn es E-Autos oder Schienenfahrzeuge wären) hergestellt. Und besonders energieintensive Branchen wie die Aluminium- und Chemieindustrie würden auch an ungünstigeren Standorten beibehalten.
Schneller und günstiger könnte die Klimaneutralität erreicht werden, wenn Änderungen bei der Produktionsstruktur “erlaubt” wären. So wäre es sinnvoll, dass sich die Schwerindustrie auf Energie-Hotspots konzentriert. Das Potenzial an Sonnen- und Windstrom ist gut vorhersehbar, deshalb kann beispielsweise im Fall Deutschland gesagt werden, dass eine Konzentration der energieintensiven Branchen auf Norddeutschland sinnvoll wäre. Dort gibt es nicht nur Windstrom fast im Überfluss, sondern auch die “Batterie” Skandinavien ist nah. Obwohl – wie wir später sehen werden – eine durchgreifende Entwicklung dieser Art auf Probleme und Widerstände stoßen dürfte, hat in geringem Maße schon ein solcher Wandel begonnen. Ein Beispiel ist die in Nordostdeutschland angesiedelte Tesla-Gigafactory, deren Standort auch wegen der Nähe zu Windparks gewählt wurde.
Dieses Konzept könnte natürlich noch ausgebaut werden. So könnten bedeutende Schwerindustriestandorte in den oben genannten weltweit leistungsfähigsten Energie-Hotspots entstehen, um dort Aluminium-, Batterie-, Silizium- und Wasserstoffindustrie anzusiedeln. In einigen Fällen wie in Island und Skandinavien ist dieser Prozess bereits in Gange. Andere wie die Sahara oder Patagonien bleiben weit hinter ihrem Potenzial zurück. Für eine schnelle Klimaneutralität müsste diese Entwicklung auch wesentlich schneller vonstatten gehen.
Eine alternative Strategie, um Industrien auch in weniger geeigneten Regionen zu erhalten, wäre eine verstärkte saisonale Produktion. In gemäßigten Breiten, etwa in weiten Teilen Europas, werden beispielsweise zwei Drittel der Solarenergie im Sommerhalbjahr zwischen April und September produziert. Windenergie führt zwar auch im Winter zum Teil zu einem hohen Erneuerbaren-Anteil, doch ist sie wesentlich schwieriger vorhersehbar. Jedenfalls könnte eine saisonal konzentrierte Produktion, vor allem in der Schwerindustrie, Solarenergie in geeigneten Regionen mit wenig Windkraft wesentlich besser ausnutzen. Durch Smart Metering und EE-Vorhersagen, also auch einer kurzfristigen Konzentration energieintensiver Prozess auf Tage und Stunden mit hoher EE-Produktion, kann dies ergänzt werden.
Bei der Produktion von Gütern des täglichen Bedarf, etwa Grundlebensmitteln, wäre ebenfalls strukturelle Änderungen vorteilhaft. Eine Produktion nahe an den Konsumenten könnte den Energiebedarf des Transports verringern. Zudem ist eine an der saisonalen und tageszeitlichen EE-Produktion ausgerichtete Produktion in kleineren Einheiten flexibler möglich als in großen Industrieanlagen mit hohen logistischen Herausforderungen. In kleinem Maßstab ist die regionale Produktion durchaus bereits Usus, etwa in der Herstellung von Bio-Lebensmitteln.
Die Herausforderungen des Alternativszenarios
Die hier beschriebenen Alternativstrategien hätten zwei Vorteile: Einmal würde insgesamt weniger Energie benötigt und die vorhandene besser genutzt. Zum zweiten wäre auch die Netzinfrastruktur, einer der wesentlichen “Flaschenhälse” der Energiewende, weniger belastet und müsste nicht im beim Standardszenario erwarteten Ausmaß ausgebaut werden. Als potenzieller weiterer Vorteil wäre der Wettbewerb um Flächen weniger intensiv und auch die Widerstände der lokalen Bevölkerung gegen die Infrastruktur somit geringer.
Doch solche Verschiebungen würden in der heutigen Wirtschaftsstruktur zu Problemen führen. So könnten EE-arme Regionen mit hoher Industriekonzentration, im deutschsprachigen Raum etwa Süddeutschland, mit Recht befürchten, von der Entwicklung abgeschnitten zu werden. Wenn nicht andere Branchen etwa aus dem Dienstleistungssektor angesiedelt werden können, würden Steuereinnahmen vieler Kommunen womöglich stark sinken und die Arbeitslosigkeit steigen. Das würde wiederum wahrscheinlich zu verstärkten Widerständen durch die Bevölkerung führen, insbesondere wenn der Staat es ist, der die Umsiedlungen anordnet oder die Bedingungen dafür schafft.
Ein Problem ist auch die Konzentration heutiger Großunternehmen auf das Just-in-Time-Prinzip. Dieses aus dem Japan der Nachkriegszeit stammende Konzept minimiert die Lagerhaltung und spart daher einerseits Ressourcen ein, die Logistik wird jedoch komplexer und die Produktionsanlagen abhängiger von einer kontinuierlichen günstigen Energieversorgung, weil immer nahe an der Nachfrage produziert werden muss und diese auch mit einer Dunkelflaute zusammenfallen könnte. Eine verstärkte saisonale Produktion stieße hier auf Probleme.
Insgesamt existiert in der Marktwirtschaft stetig ein großer Druck auf Unternehmen, wettbewerbsfähig zu bleiben, und auch auf den Staat, der auf die Steuereinnahmen achten muss. Dies erschwert allzu radikale Veränderungen. Und mögliche negative Auswirkungen auf die Wirtschaft einer Region könnten so große Widerstände hervorrufen, dass der Wandel daran scheitern kann. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die hier angedachten alternativen Wege wirklich umfangreich angewendet werden.
Nehmen wir nun an, es gäbe ein Wirtschaftsmodell, das in diesen Aspekten flexibler ist und somit dieses alternative Szenario möglich machen würde. Dies ganz ohne staatlichen Autoritarismus und ohne negative Auswirkungen auf die arbeitende Bevölkerung. Und zusätzlich direkte Anreize schaffen würde, um verstärkt auf erneuerbare Energien umzusteigen.
Die anreizbasierte Commons-Produktion könnte die Energiewende beschleunidgen
Ein solches Modell könnte die anreizbasierte Commons-Produktion (ACP) darstellen. Das Konzept besitzt mehrere Eigenschaften, die eine schnellere Erreichung der Klimaneutralität möglich machen könnten. Es basiert auf der Praktik des Commoning, einer Art der gemeinschaftlichen, selbstorganisierten und nicht im herkömmlichen Sinne gewinnorientierten Produktionsweise. Kurz gesagt schließt sich eine Gruppe von Menschen zusammen, um Bedürfnisse zu befriedigen. Dieses Konzept wird mit neuartigen Anreizen kombiniert, die im nächsten Teil dieser Textserie im Detail behandelt werden.
Der erste große Vorteil dieses Konzepts für die Klimaneutralität: Es bietet allgemein sehr starke Anreize, exklusiv auf erneuerbare Energien zu setzen. Dies liegt daran, dass es am besten auf Prozesse anwendbar ist, bei denen materielle Naturressourcen, wie etwa Rohstoffe, geschont und so lange wie möglich genutzt werden. Der Verbrauch großer Mengen neuer Ressourcen stattdessen erhöht die Komplexität der Organisation und Finanzierung, man könnte von Extrakosten sprechen.
Das Modell tendiert somit zur Ressourceneinsparung und zu Kreisläufen, bei denen beispielsweise Rohstoffe immer wieder neu verwendet werden. Neben erneuerbaren Energiequellen werden daher häufig recycelbare Materialien favorisiert. Fossile Kraftstoffe, die in einem Millionen Jahre andauernden Prozess aus Biomasse entstehen, müssen hingegen stetig neu gefördert werden. Sie werden nach dem Verbrauch nutzlos und schaden in der Form von Abgasen sogar Umwelt und Klima. Ihre Nutzung steht somit den Anreizen, die durch das Commons-Modell geschaffen werden, komplett entgegen.
Beispiele für Branchen, in denen es bereits heute erfolgreiche Commons-Projekte gibt, sind zum einen die Softwareherstellung, in der das Modell dank Open Source bereits seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert wird, und zum anderen der gemeinschaftliche Gartenbau und die solidarische Landwirtschaft. An beiden wird das Prinzip der Ressourcenschonung sichtbar: Bei Software sind alle “Vorprodukte” immateriell. Programme bauen oftmals auf bereits vorhandenem Code auf, weshalb für neue Anwendungen kaum neue Naturressourcen benötigt werden (wenn man die Hardware nicht berücksichtigt). In der Landwirtschaft ist die Hauptressource Land: Einmal urbar gemacht, kann es potenziell jahrzehntelang nachwachsende Erzeugnisse wie Gemüse oder Obst hervorbringen.
Der zweite Vorteil hängt mit dem skizzierten alternativen Weg zur Klimaneutralität zusammen. So sind die Anreize zur Kooperation zwischen Produzenten größer. Dies lässt uns vielleicht zuerst an Kartelle, also unerwünschte Kooperationen denken, die zum Nachteil der Verbraucher agieren. Doch diese sind bei Commons-Strukturen höchst unwahrscheinlich, denn Produzenten und Konsumenten besitzen nahezu die gleichen Interessen. Wie bereits erwähnt handelt es sich bei den Produzenten eigentlich um Konsumenten, die sich zusammentun, um ihre Bedürfnise zu befriedigen, und keine davon abweichenden Gewinnabsichten verfolgen. Aus diesem Grund erwachsen den Verbrauchern keine Nachteile, wenn sich Unternehmen (oder “Projekte”) sich gegenüber “Konkurrenten” aus der gleichen Branche kooperativ verhalten.
Durch diese Tendenz zur Kooperation sinkt der Druck auf einzelne Unternehmen oder Projekte. Saisonale oder kurzfristig flexible Produktion sind wesentlich besser organisierbar, wenn man nicht befürchten muss, dass dies durch Wettbewerber ausgenutzt wird – sondern man von ihnen sogar unterstützt wird. Auch örtliche Umgruppierungen, wie der Umzug der Schwerindustrie hin zu Energie-Hotspots, wären weniger problematisch.
Regionen wären ebenfalls weniger Druck ausgesetzt, den eigenen Standort so wettbewerbsfähig wie möglich zu halten. Dies hat zwei Gründe. Zum einen gälte für Regionen ähnliches wie für Produzenten: Sie könnten miteinander kooperieren. Eine Region, deren Schwerindustrie wegen zu geringer EE-Produktion tendenziell abwandert, könnte sich etwa auf weniger energieintensive Produktionsprozesse fokussieren und zur Abschwächung von negativen Effekten dieses Strukturwandels mit industriell starken Energie-Hotspot-Regionen zusammenschließen. Ein zweiter Grund: Commons-Projekte könnten mit regionalen Leistungen, etwa Lebensmitteln, die Grundbedürfnisse der Bevölkerung sichern. Dies könnte bis hin zum Konzept einer Freien Grundversorgung gehen, einem Grundeinkommen in Sachwerten, das wir im letzten Teil der Serie besprechen werden. Eine ausführliche Beschreibung findet sich im Buch Nie wieder Knappheit. Kommunen und Regionen müssten dann weniger Geld für soziale Dienste ausgeben, die benötigten Steuereinnahmen könnten also sinken. Ein solches Projekt würde natürlich seine Zeit benötigen, aber auch die Industrie wird sicher nicht komplett über Nacht abwandern.
Dass Konsumenten und Produzenten in der ACP durch gemeinsame Interessen miteinander verbunden sind, führt uns zu einem weiteren Vorteil: Da die Verbraucher immer direkt von der Produktion profitieren, ist es wahrscheinlich, dass Widerstände gegen den Ausbau erneuerbarer Energien wesentlich seltener auftreten. Die Bevölkerung erhielte stets transparente Daten über die Energieversorgung und den Verbrauch; sie bräuchte nicht zu befürchten, dass ein Windpark gebaut wird, von dem sie nicht profitiert.
Schließlich gibt es Hinweise, dass eine auf Commons basierende Wirtschaft insgesamt weniger Energie benötigen würde. So würden Sektoren wie Finanzen und Marketing beziehungsweise Werbung an Bedeutung verlieren, die ebenfalls einige Ressourcen verbrauchen. Man denke an die Büroflächen und die Dienstreisen, die nur für PR- und Marketingaktivitäten sowie Verkaufs-Meetings anfallen.
Commons-Aktivitäten wie solidarische Landwirtschaft und Open-Source-Software scheinen heutzutage Nischenaktivitäten zu sein. Wäre daher eine Umstellung der Wirtschaft auf das Commons-Modell realistisch, und vor allem schnell genug, um die Klimaneutralität etwa bereits vor 2040 zu schaffen? Die entscheidende Frage ist: Sind die Anreize, die das ACP-Modell bietet, stark genug, um gegenüber den Anreizen der Marktwirtschaft zu bestehen? Oder ist sie ihr strukturell unterlegen und nur um eine schöne Utopie, wie es etwa bei einigen sozialistischen Modellen vermutet wird? Darum soll es im nächsten Text gehen.