9 Gründe, warum Commoning oft klimafreundlich und nachhaltig ist

In den bisherigen Texten wurde es oft angerissen: Eine Gesellschaft, die verstärkt auf Commoning setzt, könnte schneller zur Klimaneutralität führen als die herkömmliche Marktwirtschaft.
Aber warum? Hier werden einige Punkte aufgelistet, die für eine nachhaltige Tendenz des Commonings zu umwelt- und klimafreundliches Wirtschaften sprechen. Einige dieser Gründe können außerdem dazu beitragen, den Ressourcen- und Arbeitsbedarf zu senken und somit die Organisation der Projekte zu vereinfachen.
1. Weniger Energieverbrauch durch Konzentration auf Kernbereiche
Commoning-Produktion kann auf Teile der Wertschöpfungskette typischer marktwirtschaftlicher Unternehmen verzichten. Das führt bei gleicher Effizienz zu geringerem Energieverbrauch.
Commoning-Projekte können sich weitgehend auf den Kernbereich ihrer Tätigkeiten beschränken: die Produktion eines Gutes oder die Erbringung bestimmter Dienstleistungen. Bereiche, die dagegen nahezu wegfallen, sind Werbung, Marketing und Public Relations. Der Grund: Da Projekte miteinander kooperieren und ihr Ziel die Bedürfnisbefriedigung ist, ist es nicht mehr nötig, sich etwa über Markenbotschaften von “der Konkurrenz” abzusetzen. Die Kommunikation mit der Außenwelt kann sich daher auf simpelste Mittel beschränken, teure Werbefilmproduktionen oder der Druck von Prospekten und Flyern entfallen.
Aus ähnlichen Gründen fallen zahlreiche Geschäftsreisen weg, die heute Unternehmen der PR oder dem Werben neuer Kunden dienen. Davon sind oft Flugreisen betroffen, die als besonders klimaschädlich gelten. Auch das Finanzwesen kann reduziert werden, weil bei Commoning-Projekten die Bedeutung etwa von Investments abnimmt. Commons-Projekte benötigen am Anfang oft zwar noch Banken für Konten und Kredite, aber nur selten Investitionsberatung. Sollte sich das im Text über anreizbasierte Commons präsentierte Konzept der Commons-Finanzprodukte durchsetzen, können diese dezentral über Blockchains – für die es auch energiesparende Konzepte gibt – abgewickelt werden.
2. Weniger Flächenverbrauch
Beim Commoning werden weniger Büros und andere Arbeitsstätten benötigt.
Die gleiche Logik wie beim vorigen Punkt lässt auch den Flächenverbrauch zurückgehen. Büros etwa für die Marketing-Belegschaft fallen weg. Es gibt außerdem weniger Gründe, nicht auf Homeoffice zu setzen. Selbst die obere Verwaltungsebene (sofern eine solche überhaupt notwendig ist) benötigt oft keine eigenen Räumlichkeiten. In vielen Fällen können Immobilien, Grundstücke und Räumlichkeiten auch von mehreren Projekten geteilt werden, da Kooperation auch innerhalb der gleichen Branche kein Problem darstellt.
Damit fallen viele Energieverbrauchs-Quellen weg, insbesondere Bau-, Wartungs- sowie Heizungs- und Klimatisierungskosten. Entsteht durch diesen Wegfall von benötigten Flächen Leerstand, kann dieser für dringendere Bedürfnisse wie Wohnraum oder auch Lagerfläche (siehe dazu auch Punkt 8) genutzt werden, der energiehungrige Bau neuer Immobilien entfällt. Werden größere Grundstücke nicht mehr gebraucht, können sie der Natur “zurückgegeben” werden, etwa durch die Umwandlung in Naturschutzgebiete.
3. Kein Wachstumszwang
Unternehmen müssen in der Marktwirtschaft oft wachsen, um Investierende anzuziehen und erfolgreich zu sein. Commoning-Projekten ist ein solcher Zwang fremd.
Besonders Kapitalgesellschaften sind im Kapitalismus auf Wachstum angewiesen: Damit jemand in die Aktie des Unternehmens investiert, muss diese Person einen Return on Investment, kurz einen finanziellen Profit, erwarten können, der Aktienkurs muss also das Potenzial haben, zu steigen. Dies hat oft eine Tendenz zu einem immer höheren Energie- und Rohstoffverbrauch zur Folge und führt zum sprichwörtlichen Wachstumszwang des Kapitalismus.
Bei Commoning besteht ein solcher Wachstumszwang nicht. Wachstum ist nur dann erwünscht, wenn dadurch wirklich Bedürfnisse besser befriedigt werden: wenn also entweder mehr Menschen versorgt werden können, Produkte höherer Qualität entstehen oder eine größere Fertigungstiefe erreicht wird. Wachstum um des Wachstums willen ist unnötig. Wachsen Commons-Projekte auf Kosten kapitalistischer Unternehmen, sollte der Energieverbrauch sogar auf lange Sicht sinken, da sich viele der in diesem Artikel genannten Punkte bemerkbar machen.
4. Parallelentwicklungen fallen weg
Commoning-Projekte, die auf offene Technologien setzen, brauchen Entwicklungsarbeit nicht aus rechtlichen Gründen mehrmals zu leisten.
Dieser Grund hängt damit zusammen, dass Commoning auf Kooperation beruht: Initiativen und Projekte können Technologien gemeinsam nutzen und teilen, etwa über freie Lizenzen. Geschäftsgeheimnisse sind nicht notwendig, da man nicht vor Konkurrenten Angst zu haben braucht. Auch Erfahrungen und Best Practices können veröffentlicht werden. Daher fallen viele parallele Entwicklungstätigkeiten und ihr Energie- und Flächenverbrauch weg.
Im Kapitalismus hingegen gibt es weitaus mehr Anreize, parallel Technologien zu entwickeln, da hier Eigenentwicklungen oft zu Vorteilen im Konkurrenzkampf führen. Dies kann durchaus zu signifikantem Energieverbrauch führen, man denke an die Büroflächen der Entwicklungsabteilungen und die zeit- und materialaufwändige Produktion von Prototypen.
5. Langfristige Orientierung statt Wegwerf-Mentalität
Commoning ist meist langfristig orientiert. Das führt oft zu weniger Ressourcenverbrauch.
Menschen gründen Commoning-Initiativen, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Gerade Grundbedürfnisse bleiben oft über lange Zeiträume ähnlich: Essen, Wohnraum, Hygienebedarf und Gesundheitsversorgung benötigen wir bis an unser Lebensende. Somit ist es im Interesse des Projekts und seiner Teilnehmenden, die Bedürfnisse langfristig und sicher befriedigen zu können. Es ist außerdem oft sinnvoll, auch bei den Produkten Langlebigkeit anzustreben, wodurch unnötiger Ressourcenverbrauch für stetig neue Einheiten vermieden wird.
Im Gegensatz dazu geht es im Kapitalismus nicht um Bedürfnisse, sondern um Gewinn. Langfristige Projekte bieten zwar auch in der Marktwirtschaft in einigen Fällen Vorteile, aber solange der Gewinn stimmt, ist der Zeitrahmen eher nebensächlich. Der Absatz von Produkten ist oft entscheidend für die Einnahmesituation. Dies kann einen Anreiz für qualitativ minderwertige Wegwerf-Ware schaffen, die kurzfristig die Einnahmen erhöht. Bei Commoning gibt es keinerlei Vorteile für geplante Obsoleszenz und ähnliche Phänomene.
6. Nachhaltigkeit vermeidet Worst-Case-Szenarien – auch aus Sicht der Spieltheorie
Beim Commoning ist es gemäß der Minimax-Strategie rational, ein nachhaltiges Modell zu wählen, um negativen Szenarien vorzubeugen.
Mit Hilfe der Spieltheorie kann man bei Commoning einen Fokus auf Nachhaltigkeit begründen: Wenn die Produktion langfristig erfolgreich bestehen will, muss das Projekt umweltfreundlich ausgelegt sein.
Bei weniger nachhaltiger Vorgehensweise können verschiedene negative Ereignisse und Effekte auftreten. Diese können die Produktion bedrohen oder wenigstens ihre Vorteile gegenüber dem Kapitalismus mindern. In Branchen wie der Landwirtschaft, deren Produktion direkt von Naturphänomenen abhängt, können umweltschädigende Praktiken, aber auch die Auswirkungen des Klimawandels längerfristig den Ertrag schmälern. Eine Anlage mit wenig Ressourcenverbrauch ist für die Kostenstruktur günstiger (siehe dazu den Punkt 7) und beugt finanziellen Problemen vor. Dazu kommen potenzielle rechtliche Herausforderungen und die Außenwirkung. Eine nicht nachhaltige Produktion kann durch staatliche Verbote, aber auch Boykotte oder den Austritt von Teilnehmenden bedroht sein.
In der Spieltheorie werden Spielzüge, in diesem Fall eine projektrelevante “unternehmerische” Entscheidung, nach ihrem Resultat bewertet. Bei der sogenannten Minimax-Strategie, die man als “vorsichtig und voraussschauend” bezeichnen kann und zum Beispiel bei Schachsoftware eingesetzt wird, werden immer auch schlechte mögliche Resultate (Worst Cases) in die Bewertung der Spielzüge mit einbezogen.
Aus Sicht der Minimax-Strategie ist es für Projekte fast immer rational, auf Nachhaltigkeit achtende Entscheidungen zu treffen, um die beschriebenen negativen Konsequenzen nicht-umweltschonenden Verhaltens zu vermeiden und somit langfristig zu bestehen. Für Personen, die Commons-Erzeugnisse konsumieren, ist gleichsam die Unterstützung nachhaltiger Projekte rational, da sie so langfristig am sichersten sein können, dass ihre Bedürfnisse befriedigt werden.
Bei Unternehmen kapitalistischer Art ist die rationale Strategie weniger eindeutig, da das Ziel hier nicht die langfristige Bedürfnisbefriedigung ist, sondern ein möglichst hoher Gewinn. Nachhaltigkeit kann dabei zwar in einigen Fällen auch helfen, aber oft sind relativ kurzfristiger und hoher Absatz wegen der Abhängigkeit von Investitionen wichtiger und die Spielzüge müssen auf diese Strategie ausgelegt werden.
7. Naturressourcen sind am schwierigsten commonisierbar
Rohstoffe und fossile Energie verursachen laufende Kosten, die die Organisation von Commons-Projekten erschweren. Die Nutzung Erneuerbarer Energienn und nachwachsender oder recycelter Ressourcen ist einfacher zu organisieren.
Rohstoffe und fossile Brenn- und Kraftstoffe müssen in der Regel auf dem Markt erworben werden. Da dadurch ständig laufende Kosten entstehen, sind solche Projekte auf stetige Einnahmen angewiesen. Regelmäßige notwendige Einnahmen jedoch erschweren die Organisation von Commoning-Projekten. So müssen entweder Produkte verkauft werden, was dem Ziel von Commoning entgegen läuft, oder Beiträge von den Teilnehmenden “eingetrieben” werden.
Bei exklusiver Nutzung Erneuerbarer Energien aus eigener Produktion ist die Kostenstruktur ganz anders: Nach einer größeren Investition etwa in Windräder oder PV-Module funktioniert der Betrieb über mehrere Jahrzehnte. Zwar müssen auch hier Ersatzteile und Lebensdauer bedacht werden, aber die einzutreibenden laufenden Kosten sind um Größenordnungen niedriger, besonders nachdem die Anlage sich amortisiert hat. Bei einer flexiblen Nutzung (siehe Punkt 8) ist die Amortisation selbst bei Photovoltaik schnell erreicht.
Ähnliches gilt für die Nutzung von Rohstoffen. Hier sind Projekte in Vorteil, die nachwachsende, in Fülle lokal vorhandene oder recycelte Materialien verwenden. Bei Commoning werden diese wegen der einfacheren Organisation auch dann bevorzugt werden, wenn geringe, aber tolerierbare Nachteile bei den Materialeigenschaften zu erwarten sind. Die Nutzung solcher Rohstoffe ist meist nachhaltiger als die von selteneren Materialien, die aus der (oft umweltschädlichen) extraktiven Industrie stammen und auf dem Markt womöglich teuer eingekauft werden müssen.
8. Flexible Nutzung Erneuerbarer Energien
Aufgrund geringerer und anders gelagerter Sachzwänge können Commoning-Projekte Erneuere Energien flexibler und verstärkt dann nutzen, wenn sie in Fülle verfügbar sind.
In vielen Teilen der Welt sind Wind- und Sonnenenergie die günstigsten und am einfachsten nutzbaren erneuerbaren Energiequellen. Ihre Verfügbarkeit schwankt jedoch. Deshalb gibt es für die Nutzung von 100 % Erneuerbaren oft nur zwei Möglichkeiten: Speicher, die die Anlage verteuern, oder eine flexible Nutzung.
Da bei kapitalistischen Unternehmen aufgrund der Konkurrenzsituation eine Produktionsunterbrechung viel Schaden anrichtet, ist eine flexible Nutzung von Energiequellen nur eingeschränkt möglich. Selbst eine Betriebspause bei sogenannten Dunkelflauten mit wenig Wind und Sonne, die an wenigen Tagen im Jahr auftreten, ist meist nur möglich, wenn Entschädigungen dafür gezahlt werden. Hier spielt auch das Just-in-time (JIT)-Modell eine Rolle, bei denen Unternehmen Lagerhaltung zu vermeiden versuchen. Sie müssen dann Liefertermine strikt einhalten und können sich keine Ausfälle leisten.
Bei solide finanzierten Commoning-Projekten ist der Konkurrenzdruck kaum ausgeprägt und JIT ist daher nicht in diesem Maße notwendig. Zwar müssen Projekte einer Wertschöpfungskette ihre Produktion und Lieferungen koordinieren. Eine Lagerung, um bei großen Erneuerbaren-Angebot mehr Einheiten vorproduzieren zu können, ist jedoch oft weniger problematisch. Aus mehreren Gründen: So sind die Produktionseinheiten dezentraler und somit tendenziell kleiner, auch ist wegen der Orientierung an Langlebigkeit insgesamt die Produktion von weniger Exemplaren für das gleiche Wohlstandsniveau notwendig. Die Projekte besitzen auch die Autonomie, im Einvernehmen mit den “Verbrauchern” unkonventionellere Entscheidungen zu treffen oder bestimmte Regeln festzulegen: So kann es bei nicht lebensnotwendigen Produkten sinnvoll sein, sie bei Dunkelflauten über wenige Tage hinweg langsamer oder gar nicht an Konsumenten auszuliefern. Es kann insgesamt wesentlich flexibler auf ein schwankendes Energieangebot reagiert werden, und somit kann der Einsatz von Energiespeichern minimiert werden.
9. Aktive Entscheidung
Commoning gibt den Teilnehmenden wegen des basisdemokratischen Aufbaus der Initiativen die Möglichkeit, sich aktiv für eine nachhaltige Auslegung zu entscheiden.
Konsumenten können im Kapitalismus nur indirekt mitentscheiden, ob die Produkte, mit denen sie ihre Bedürfnisse befriedigen, nachhaltig und klimafreundlich sind. Sie können bestimmte Hersteller auswählen und andere boykottieren, aber das ist oft gar nicht so einfach, da Nachforschungen über die Verhältnisse in den komplexen Lieferketten nötig sind. Öko-Labels können das Problem zwar etwas eindämmen, die Mitwirkung ist aber weiterhin indirekt, Missbrauch bleibt möglich. Und wenn es gar keine nachhaltigen Hersteller gibt, fällt auch diese Einflussmöglichkeit weg. Nur die Gründung eines eigenen Unternehmens, etwa einer Genossenschaft, verleiht mehr Kontrolle, aber dies ist sehr aufwändig. Und es kann sein, dass eine nachhaltige Ausrichtung des Betriebs später Sachzwängen zum Opfer fällt, wenn etwa wichtige Investierende an Bord gehalten werden müssen.
Commoning-Projekte hingegen bieten den Teilnehmenden die Möglichkeit, an unternehmerischen Entscheidungen direkt mitzuwirken. Schon heute ist es in vielen Regionen möglich, an CSA (Solawi)-Projekten teilzunehmen. Meist gibt es eine basisdemokratische Struktur mit Abstimmungen und Diskussionen. Auch ist die Situation in den Lieferketten bei Commoning transparent und kein Geschäftsgeheimnis, so dass auch die, die nicht in den Diskussionen teilnehmen möchten, gezielt umwelt- und klimafreundliche Projekte auswählen können.
Die Freie Grundversorgung: Klimafreundliche Alternative zum Grundeinkommen

Kann Commoning die Armut nachhaltig bekämpfen helfen? Wir stellen eine klimafreundliche Alternative zum häufig diskutierten Grundeinkommen vor und wagen einen Ausblick, wie eine solche Leistung finanziert und organisiert werden könnte.
Das bedingungslose Grundeinkommen wird besonders in linken, aber auch in liberalen Kreisen immer wieder als Lösung für das Problem der Armut diskutiert. In Zeiten, in denen einige Jobs möglicherweise durch KI ersetzt werden könnten, könnte laut dieser Argumentation eine solche staatliche Leistung vielen Menschen vielleicht die Sorgen vor der Zukunft nehmen.
Doch ist das Konzept nicht unumstritten. So stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit. Und nicht nur Boulevardmedien fragen sich: Ist es fair, wenn einige Menschen weiterhin hart arbeiten und andere sich einen faulen Lenz machen? Schon bei in europäischen Sozialstaaten gängigen Leistungen wie dem deutschen Bürgergeld kommen regelmäßig ähnliche Diskussionen auf. Auch wenn oft ignoriert wird, dass von ihnen auch Arbeitende profitieren, weil es ihre Verhandlungsmacht stärkt. Dennoch: Das Konzept steht und fällt mit der Bereitschaft der Mehrheitsbevölkerung, es über Steuern zu finanzieren.
(Dieser Text ist Teil einer Einführung in die Konzepte, die in diesem Blog besprochen werden: #1 Das Goldene Zeitalter der Klimaneutralität, #2 100% Erneuerbare, #3 Anreizbasierte Commons, y #4 Freie Grundversorgung (dieser Post).)
Außerdem stellt sich die wichtige Frage, ob ein Grundeinkommen nicht als Luxus in reichen Industrieländern angesehen werden könnte. Die weltweite Ungleichheit könnte zumindest gefühlt noch verstärkt werden, gerade aus Sicht von Arbeitenden in armen Ländern.
Ein potenziell weltweites “Grundeinkommen” in Naturalien
Stellen wir uns vor, jemand würde vorschlagen, jedem Menschen der Erde ein bedingungsloses Grundeinkommen auszuzahlen. Um die Grundbedürfnisse wirklich zu decken, müsste es sich um einen Betrag von mindestens rund 500 Euro pro Person und Monat handeln. Würde die Mehrheit der Menschen dies für realistisch halten? Fast sicher lautet die Antwort Nein, selbst bei Menschen, die dem Konzept Grundeinkommen an sich positiv gegenüberstehen. Schließlich übersteigt dieser Betrag den Durchschnittslohn der Menschen in weiten Teilen der Welt.
Wenn nun statt eines Geldbetrags Naturalien, also Sachwerte im Wert von etwa 500 € ausgegeben werden sollen, die einen bescheidenen aber menschenwürdigen Lebensstandard sichern, von Lebensmitteln, Gesundheit, Energie und Wohnraum bis hin zu Bildung und Kultur? Die Antwort würde sich wahrscheinlich nicht ändern.
Einige würden ihr absolutes Nein womöglich aufgeben, wenn die Produktionsstätten, die diese Güter und Dienstleistungen anbieten, von den Nutznießenden selbst betrieben würden. Doch es wären wahrscheinlich immer noch Bedenken vorhanden. Insbesondere hinsichtlich der Finanzierung der Infrastruktur.
Wenn hingegen das Konzept geringfügig anders organisiert wäre: Was, wenn frei zugängliche Baupläne, Rezepturen, Software und Anleitungen für alle Produktionsstätten und Prozesse, die für die Erfüllung der Grundbedürfnisse benötigt würden, verfügbar wären? Also Baupläne für Lebensmittel- und Solarmodulfabriken, Open-Source-Fertighauskonzepte, aber auch Best Practices für Freiwilligendienste in Krankenhäusern und Pflegeheimen?
Nehmen wir an, dass diese Wissenssammlung so detailliert ist, dass alle Prozesse in allen notwendigen Lieferketten vollständig abgedeckt wären. Es gäbe für alle Schritte der Herstellung einen erprobten, funktionierenden Plan, den man nur umsetzen müsste. Für Initiativen wäre es dann wesentlich einfacher, ein produktives Projekt aufzubauen, als die Gründung eines Unternehmens in der Gegenwart. Primär müssten die Projekte Rohstoffe und Land erwerben sowie sich um die anfallenden Aufgaben kümmern. Solche Initiativen könnten also auf der ganzen Welt aus dem Boden sprießen, wenn sich Menschen zusammenfinden, um Ressourcen zu bündeln und langfristig ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen.
Im letzten Text zum anreizbasierten Commoning wurde angesprochen, wie eine umfassende Produktionsinfrastruktur auf der Basis des Modells des Null-Grenzkosten-Betriebs aufgebaut und finanziert werden könnte. Bei diesen Betrieben fielen zwar am Anfang Investitionskosten an, jedoch haben diese das Ziel, die Kosten für jedes Produkt graduell auf nahe Null zu drücken, etwa durch den Einsatz erneuerbarer Energien und Automatisierungstechnologien. Letztendlich würden für die einzelnen Projekte nur noch Materialkosten und ein vergleichsweise geringer Arbeitsbedarf übrigbleiben, der von den Menschen, die von den Leistungen profitieren, zu einem großen Teil selbst übernommen würde. Ein wesentliches Puzzleteil für den Aufbau der Projekte wären Commons-Finanzprodukte, eine Art Langzeit-Crowdfunding, bei dem einmalige oder regelmäßige Zahlungen oder alternativ Arbeitsbeiträge Menschen ein Recht auf eine Versorgung mit einem bestimmten Gut verleihen.
Dieses Modell soll als Freie Grundversorgung bezeichnet werden. Es wäre die Anwendung des Modells des Anreizbasierten Commoning auf Produkte und Dienstleistungen des Grundbedarfs und könnte zu einer klimafreundlichen und potenziell weltweit einführbaren Alternative zu herkömmlichen Sozialleistungen ausgebaut werden.
Wie die Freie Grundversorgung realisiert werden könnte
Wie könnte man eine solche Alternative zum Grundeinkommen angehen? Es wären zwei Wege denkbar, eine Freie Grundversorgung aufbauen, ohne dass dafür bereits eine umfassende Struktur von Null-Grenzkosten-Betrieben existieren muss. Am Anfang dieses Prozesses dürften in vielen Bereichen nur für Teilschritte der Produktion Open-Hardware- und Commons-Projekte existieren.
Die erste Option wäre ein eher kapitalistischer Weg, der einer Versicherung ähneln würde. Im vorigen Text wurde bereits die Idee einer Commons-Alternative zur Rente auf Basis der Commons-Finanzprodukte angesprochen: Menschen bezahlen eine Gruppe produktiver Commons-Projekte regelmäßig dafür, um bestimmte Grundbedürfnisse im Alter erfüllt zu bekommen, etwa Lebensmittel, Gesundheit, Wohnraum oder Mobilität.
Man könnte nun auf der gleichen Basis eine Art Arbeitslosenversicherung anbieten. Diese würde jedoch zunächst nicht das ganze Leben lang eine Versorgung garantieren, sondern nur für einen limitierten Zeitraum vor dem Renteneintritt, beispielsweise zwei Jahre. Sobald eine Arbeitslosigkeit eintritt, würde die Grundversorgung aktiviert und jeder Monat, in dem die Versorgung in Anspruch genommen wird, vom Gesamtzeitraum abgezogen. Eine Herausforderung wäre hier der Umgang mit Trittbrettfahrern, die so schnell und so lang wie möglich in die “Grundversorgung” wechseln und nach deren Ende einfach aussteigen. Daher könnten wie im herkömmlichen Versicherungswesen Sperrfristen, Wartezeiten und Prüfungen, wie etwa ein Beweis, dass die Arbeitslosigkeit nicht selbstverschuldet eintrat, notwendig sein.
Der maximale Zeitraum der Versorgung kann von den Projekten schrittweise verlängert werden, wenn die Umstellung auf Null-Grenzkosten-Betriebe fortschreitet. Dies kann auch als Anreizhebel gegen Trittbrettfahrerei dienen: Eine Person, die die oben genannten Bedingungen nicht einhält, kann von diesem Vorteil ausgeschlossen und gesperrt werden. Dieser Prozess könnte dann graduell bis zu einer komplett freien Grundversorgung ohne Bedingungen fortschreiten.
Ein etwas anderer Weg, der eher den von gegenwärtigen Commoning-Projekten verfolgten Prinzipien entspricht, wäre ein minimales Grundversorgungs-Angebot für alle Interessierten, auch für die, die keine Commons-Finanzprodukte erworben haben. Dafür könnte es eine Teilnahmepflicht geben: Wer bei anfallenden Aufgaben mitmacht, wird versorgt. Bei diesem Modell wäre die Versorgung immer so breit wie möglich. Es würden also die Produkte an so viele Interessenten wie möglich abgegeben, je nachdem wie es die Finanzen und Ressourcen erlauben. Aber der Grad der Versorgung wäre von der Teilnehmerzahl und deren Teilnahmebereitschaft abhängig. Eine entsprechende Infrastruktur könnte möglicherweise etwa für den Anbau von Obst und Gemüse relativ schnell aufgebaut werden.
Vielleicht wäre eine Mischung aus beiden Ansätzen ideal: Es könnte eine absolute Basisversorgung für alle nach dem zweiten Modell geben, die mit einfachen Gütern wie landwirtschaftlichen Produkten beginnt und stetig um neue Punkte erweitert wird. Parallel würde eine Open-Hardware-Infrastruktur mit Null-Grenzkosten-Betrieben für komplexere Bedürfnisse über das Versicherungs-Modell mit Hilfe von Commons-Finanzprodukten aufgebaut. Ist diese Produktions-Infrastruktur einmal umfassend genug, kann sie auch graduell zur Basisversorgung hinzugezogen werden. Priorität behielten bei Engpässen die Menschen, die mit Arbeitseinsätzen oder Commons-Finanzprodukten an den Projekten teilnehmen.
Vorteile zum Grundeinkommen: Klima und Nachhaltigkeit
Schon die Tatsache, dass auf diese Weise womöglich das Problem der weltweiten Armut effektiv und nachhaltig bekämpft werden könnte, und das Konzept zudem wesentlich realistischer scheint als ein weltweites Grundeinkommen, ist ein großer Pluspunkt der Freien Grundversorgung. Im Vergleich zum Bedingungslosen Grundeinkommen könnte es jedoch noch weitere Vorteile geben, insbesondere im Bezug zum Thema Nachhaltigkeit.
Zum einen ist der Aspekt des Klimaschutzes zu nennen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen in der bisher diskutierten Form hätte vermutlich nur wenig Einfluss auf Emissionen und Naturschutz. Denn die Beziehenden wären weiterhin stark von der Marktwirtschaft abhängig, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Und deren Probleme hinsichtlich des Klimaschutzes, wie der Wachstums- und Renditezwang bei Kapitalgesellschaften, der eine Tendenz zu einem erhöhten Ressourcenverbrauch erzeugt, blieben weiter bestehen. Es gäbe zwar Möglichkeiten des Ausgleichs, etwa eine Finanzierung des Grundeinkommens über Emissionssteuern, dennoch wäre damit kein grundlegender Paradigmenwechsel hin zu einem nachhaltigeren Wirtschaften eingeläutet. Dieser Punkt wird noch deutlicher, wenn die Situation in ärmeren Ländern betrachtet wird: Ein Grundeinkommen auf dem Niveau einer Sozialhilfe etwa europäischer Länder könnte dort einen deutlichen Emissionsanstieg verursachen.
Bei der Freien Grundversorgung hingegen fielen alle bereits genannten Vorteile des Commoning für den Klimaschutz bei der gesamten Infrastruktur an. Wir wiederholen sie nur kurz, ansonsten verweisen wir auf den dritten Text der Serie: starke Anreize für Ressourcenschonung und erneuerbare Energien sowie weniger Rentabilitätsdruck, so dass der oft genannte Wachstumszwang der Marktwirtschaft verringert und eine größere Flexibilität bei der Anpassung an ein schwankendes, auf erneuerbaren Quellen basierendes Energieangebot erreicht wird. Auch wenn dieses Konzept sich global verbreitete, würden die Emissionen wahrscheinlich nicht deshalb nennenswert ansteigen.
Für die Nachhaltigkeit eines solchen Ansatzes spricht weiterhin, dass die Versorgung bei einem Commoning-basierten Ansatz wesentlich zukunftssicherer sein könnte. Ein Grundeinkommen müsste jedes Jahr neu über den Staatshaushalt von den Steuerzahlenden finanziert werden. Gerade in Wirtschaftskrisen, die in der Marktwirtschaft zyklisch auftreten können, wäre womöglich die Bereitschaft niedrig, sich einen solchen Luxus zu leisten.
Eine commoning-basierte Freie Grundversorgung hätte dieses Problem nicht. Sie wäre im Idealfall unabhängig vom Staat: Eine Technologie, die einmal unter freie Lizenzen gestellt wurde, ist potenziell für immer frei zugänglich, und über Commons-Finanzprodukte könnte die Finanzierung rein privat organisiert werden. Zudem tendieren Commoning-Initiativen oft zu langfristiger Nachhaltigkeit, sie werden auf “die Ewigkeit” ausgelegt. Wichtige Ressourcen wie Grundstücke werden endgültig erworben, um den Projekten dauerhaft zugänglich zu sein. Außerdem sind rechtliche Strukturen möglich, die etwa eine Veräußerung von Projekten oder deren Umwandlung in gewinnorientierte Unternehmen verhindern. Ein Beispiel ist das Mietshäuser-Syndikat, das mit lokalen Initiativen Mehrfamilienhäuser erwirbt, für Jahrzehnte günstigen Wohnraum bereitstellt und durch seine Struktur einen Ausverkauf von einmal erworbenen Gebäuden so gut wie unmöglich macht.
Fazit und Ausblick
Wäre eine Freie Grundversorgung zügig umsetzbar? Es kommt dabei besonders darauf an, welche Bereiche eingeschlossen würden. Bei der Lebensmittelversorgung mit Grundnahrungsmitteln könnte man auf bestehenden Initiativen der solidarischen Landwirtschaft (in Deutschland als Solawis bekannt) und des gemeinschaftlichen Gartenbaus aufsetzen. Diese könnten mit Commons-Finanzprodukten ein Erweiterungspotenzial erschließen und nach und nach breite Teile der Bevölkerung versorgen. Land-Sharing nach dem Modell des bereits existierenden US-Projekts Shared Earth und Zwischennutzungskonzepte für brachliegende und ungenutzte Immobilien könnten eine schnelle Hochskalierung ermöglichen, bevor die Finanzierung großer Ländereien möglich wird. Relativ schnell wäre auch eine grundlegende verarbeitende Lebensmittelindustrie mit Betrieben wie etwa Mühlen und Bäckereien möglich. In diesen Branchen könnten oft die Verbraucher selbst Aufgaben übernehmen, wie es in Solawis üblich ist.
Eine besonders große Herausforderung hingegen wäre der Bereich Gesundheit und Pflege, der lange und komplexe Lieferketten und einen hohen und spezialisierten Arbeitsbedarf aufweist. Grundsätzlich spricht nichts gegen eine Organisation etwa eines Krankenhauses oder Pflegeheims auf Commons-Basis. Eine Teilnahme der Menschen, denen die Einrichtung zur Gesundheitsversorgung offen stehen soll, also der zukünftigen Patienten, würde hier aber oft an den fehlenden Fachkenntnissen scheitern. Denkbar wäre eine Kooperation über einen sogenannten Commonsverbund, wie er z.B. von Autoren wie Christian und Martin Siefkes vorgeschlagen wurde: eine Kooperation zwischen verschiedenen Projekten, bei denen die Teilnahme etwa an einer Solawi ein Anrecht auf eine Behandlung im Krankenhaus verleiht, und umgekehrt das ärztliche Fachpersonal von den Solawis versorgt wird.
Der Gesundheits- und Pflegebereich könnte von einem Commons-Fonds profitieren, der bestimmte Leuchtturmprojekte unterstützt. Die von der Commons-Wissenschaftlerin und Publizistin Silke Helfrich 2018 angestoßene Initiative GrundausCommons verfolgte ein solches Ziel: eine überwiegend private Finanzierungsstruktur für Commoning-Initiativen bereitzustellen, damit diese nach und nach Grundbedürfnisse erfüllen können. Dieses “Projekte-Grundeinkommen” sollte wichtige Ansätze in bisher schwierig unter Commoning-Grundsätzen zu organisierenden “Branchen” finanzieren. Leider verlor die GrundausCommons-Initiative nach Helfrichs viel zu frühem Tod 2021 an Schwung und wurde 2022 aufgelöst.
Ein solcher Commons-Fonds könnte beispielsweise von mehreren Commons-Projekten aus einem kleinen Teil der Einnahmen über Commons-Finanzprodukte finanziert werden. Der wichtigste Schritt wäre schließlich der Weg hin zu einem funktionierenden Modelle für Krankenhäuser und Pflegeheime, ein Proof of Concept. Wenn gezielt Pionier-Initiativen unterstützt werden, die sich solchen auf den ersten Blick schwierigen, aber wichtigen Aufgaben widmen, wäre der Weg für Nachfolgeprojekte weit einfacher.
Was die Herausforderungen einer Realisierung angeht, wären etwa in der Mitte zwischen den Lebensmittel- und Gesundheitsbranchen viele andere Bereiche wie etwa Wohnraum und Mobilität angesiedelt. Für Tiny Houses und selbst kleinere Wohnblocks gibt es beispielsweise bereits Open-Hardware-Projekte, die frei nachgebaut werden können. Jedoch ist der Aufwand für einen Bau besonders in europäischen Ländern mit weitreichenden Bauvorschriften weiterhin hoch, dazu kommen die Grundstückskosten. Und bei Mobilität ist ausgerechnet das nach Fahrrad und Fuß umweltfreundlichste und effizienteste Verkehrsmittel, die Eisenbahn, ein hochkomplexes System mit hohen Eintrittsbarrieren. Auch hier könnten also teilweise Finanzierungen von Pionierprojekten über Commons-Fonds nötig werden.
Umfassendere Grundversorgungsprojekte könnten zunächst versuchsweise auch in kleineren Maßstäben, etwa auf der Ebene eines Dorfs oder einer Gemeinde, umgesetzt werden. In Ökodörfern und Kommunen, also kleinen Gemeinschaften, in denen sich die Einwohner in der Regel kennen, werden bereits teilweise Vorstufen dieses Konzepts durchgeführt. Nach und nach könnten Best Practices gesammelt und die erfolgreichen Projekte auf Klein- und Mittelstädte und schließlich noch größere Einheiten ausgeweitet werden. Gerade in ärmeren Ländern ist womöglich das Potential für eine solche graduelle Vorgehensweise besonders groß. Oft bestehen auch traditionelle Commons wie Allmendeweiden, deren Organisationsstrukturen ebenfalls in ein Grundversorgungssystem einbezogen werden könnte.
Jedenfalls gibt es vermutlich viele verschiedene Wege nach Rom. Der Einstieg in die Erfüllung von Grundbedürfnissen ist oft niederschwellig möglich, wie gerade Gartenbauprojekte auf Brachflächen wie der berühmte Prinzessinnengarten in Berlin zeigen. Selbst wenn sich eine solche Grundversorgung für längere Zeit auf Lebensmittel und andere sehr grundlegende Dinge beschränken sollte, wäre damit in weiten Teilen der Welt schon eine deutliche Besserung bei der Versorgungssicherheit erreicht.
Schon Teilerfolge bei der Bekämpfung der weltweiten Armut könnten Commoning den nötigen Schwung verleihen, um weitere Bereiche hin zu einem nachhaltigen, inklusiven und umweltfreundlichen Wirtschaftsmodell umzugestalten. Und dieser Ansatz könnte eine Klimaneutralität schneller ermöglichen, als wenn wir weiterhin wie bisher auf den Staat und die Märkte vertrauen.
Anreizbasiertes Commoning: Die Marktwirtschaft auskooperieren

Ein Wandel hin zu einer gemeinschaftlichen Produktionsweise könnte den Fortschritt hin zur Klimaneutralität beschleunigen. Wie könnte das heute auf Nischen beschränkte Commons-basierte Modell sich durchsetzen? Vielleicht sind zwei ganz traditionelle Werte die Schlüsselbegriffe: Versorgungssicherheit und eine nachhaltige Altersvorsorge.
Der Begriff Commoning beschreibt die gemeinschaftliche Selbstverwaltung, Pflege und Nutzung von Ressourcen. Kurz gesagt: Eine Gruppe Menschen schließt sich zusammen, meist um gemeinsam eigene Bedürfnisse zu erfüllen. Werden dabei Güter hergestellt, so werden diese in der Regel nicht verkauft: Sobald die notwendigen Ressourcen bereitgestellt oder mögliche Kosten finanziert wurden, wird die Produktion aufgenommen und später die Erzeugnisse an die Mitglieder der Gruppe verteilt.
Es handelt sich um eine alte Praktik. So sind im europäischen Raum Allmendeweiden verbreitet, auch Fischgründe werden seit Urzeiten selbstorganisiert verwaltet. Gehen dabei die Gruppen und Projekte intelligent vor, kann die Tragik der Allmende durch klare Regeln für die Nutzenden verhindert werden, wie die Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom in ihren Untersuchungen ab den 1980er Jahren belegen konnte. Es kommt also oftmals nicht zu einer Übernutzung der Ressourcen.
In neuerer Zeit hat sich eine modernere Form des Commoning herausgebildet. Dabei wird Wissen aller Art oft über das Internet geteilt und gemeinschaftlich gepflegt, was in Anlehnung an die Peer-Review-Kultur in den Wissenschaften auch als Wissenskommunismus bezeichnet wird. Bei diesen digitalen Commons kann es sich um Software, wie bei Open-Source-Anwendungen wie dem Smartphone-Betriebssystem Android, Medien wie etwa der Enzyklopädie Wikipedia oder auch Anleitungen aller Art handeln.
Auch hier gibt es mit den Freien Lizenzen klare Regeln, was die Nutzenden dürfen und was nicht. Meist ist die Nutzung zur Befriedigung eigener Bedürfnisse nicht eingeschränkt, Open-Source-Software darf also etwa zu jedem privaten oder gewerblichen Zweck verwendet werden. Etwas strenger sind die Regeln für die Weiterentwicklung. Ein wichtiges Prinzip ist das Copyleft, das etwa in der General Public License, einer beliebten Softwarelizenz, zum Ausdruck kommt: Wer eine Wissensressource weiterentwickelt, soll seine Änderungen ebenfalls unter eine freie Lizenz stellen und sie mit jeder interessierten Person teilen. So wird sichergestellt, dass niemand sich gemeinschaftlich bereitgestellte Ressourcen einfach aneignet, sondern die ganze Open-Source-Gemeinschaft von Verbesserungen profitiert.
(Dieser Text ist Teil einer Einführung in die Konzepte, die in diesem Blog besprochen werden: #1 Das Goldene Zeitalter der Klimaneutralität, #2 100% Erneuerbare, #3 Anreizbasierte Commons (dieser Post), y #4 Freie Grundversorgung.)
Wissenskommunistische Ideen und Projekte greifen inzwischen auch auf die Welt der materiellen Güter über, was sich im Konzept der Open Hardware und den Aktivitäten der Maker-Szene äußert. Die Idee ist hier, alles Wissen zur Herstellung eines Gutes, etwa CAD/CAM-Baupläne oder Rezepturen, ebenfalls unter Freie Lizenzen zu stellen. Selbst komplexe Produkte wie etwa Mikrochips sind bereits auf diese Weise veröffentlicht worden. Und mit den sogenannten Fabbern, beispielsweise 3D-Druckern, steht seit mehr als einem Jahrzehnt eine relativ günstige Technologie zur Verfügung, um einige Güter auf Basis solcher Pläne weitgehend vollautomatisiert herzustellen.
In einigen Gebieten hat sich dieses moderne Commoning inzwischen als Alternative zu marktwirtschaftlichen Betriebsformen etabliert. Bei Wikipedia dauerte es nur wenige Jahre, bis ein Commons-“Produkt” gegenüber von Unternehmen produzierten Enzyklopädien wie der Britannica die Marktführerschaft erlangte. Linux benötigte etwas länger, ist aber mit Ausnahme der (immer selteneren) Desktop-Computer seit Mitte der 2010er Jahre das führende Betriebssystem für digitale Geräte, von Ampeln bis hin zu Android-Smartphones und Supercomputern.
Somit träumte die Commons-Szene spätestens seit den Nullerjahren vom Auskooperieren – so wird die Erlangung der Dominanz in einer Marktnische zuweilen genannt – vieler Wirtschaftszweige, hin zu einem Utopia kostenloser und gemeinschaftlich produzierter Güter. Und es wurden bis in die jüngste Zeit hinein wichtige Organisationen und Projekte gegründet, von der P2P Foundation über das deutsche Commons-Institut und die Open Hardware Association (OSHWA) bis hin zum Digital Commons Policy Council (DCPC).
In neuerer Zeit wurden einige weitere Erfolge vermeldet, etwa die Popularisierung der sozialen P2P-Netzwerke Mastodon, Nostr und Bluesky. Doch etwas scheint zu fehlen. Es wurde recht schnell klar, dass etwa 3D-Drucker alleine das Problem der Produktion materieller Güter nicht lösen können und der Aufbau einer Produktions-Infrastruktur eine komplexere Angelegenheit ist. Auch erste Enttäuschungen folgten, etwa beim seit 2013/14 nur noch langsam fortschreitenden wichtigen Projekt Open Source Ecology. Vielleicht hat auch der Fachkräftemangel in Europa und den USA beigetragen, die Dynamik etwas abzubremsen – auch für Commons-Projekte ist es schwieriger geworden, erfahrene Profis und Talente anzuwerben.
Eine gewisse Dynamik wäre aber wichtig, um die noch fehlenden, entscheidenden Fortschritte zu erzielen. Wenn das Modell auf breite Teile der Wirtschaft angewendet werden könnte, hätte dies sehr wahrscheinlich äußerst positive Folgen für Klima und Umwelt und würde auch bei der Bekämpfung der weltweiten Armut helfen.
Wie könnte diese Dynamik zurückkommen? Ist es vielleicht sogar möglich, bald einen sich selbst verstärkenden Prozess der Transition hin zum Commoning zu starten?
In diesem Artikel soll das Modell des anreizbasierten Commoning vorgestellt werden. Der Ansatz versucht bestimmte Formen von extrinsischen Anreizen, die auch in der Marktwirtschaft wirken, in das Commons-Modell einzubauen. Und zwar so, dass die gemeinschaftliche Arbeitsweise und das inklusive Konzept nicht in Frage gestellt wird. (Anmerkung: Bei extrinsischen Anreizen handelt es sich um Motivationsmechanismen, die nicht direkt mit dem produzierten Gut oder der verwalteten Ressource selbst zu tun haben, also etwa jede Art von Belohnungen.) In diesem Text sollen besonders zwei entscheidende Anreizprozesse vorgestellt werden, die zur Teilnahme an Commons-Projekten motivieren könnten: die Aussicht auf Versorgungssicherheit und eine sichere Altersvorsorge.
Die Herausforderung: Bedürfnisse erfüllen ohne Warenverkauf
Was fehlt eigentlich genau, um viele wichtige menschliche Grundbedürfnisse basierend auf Commons-Grundsätzen zu erfüllen, etwa über eine weitverbreitete gemeinschaftliche Produktion? Nähern wir uns diesem Problem einmal mit dem herkömmlichen güterzentrierten Ansatz an, der für viele Menschen am verständlichsten ist. Angemerkt sei hier, dass in der aktuellen Commons-Forschung der Fokus auf Prozessen und Strukturen anstatt auf Gütern liegt.
Wir können uns diese Herausforderung als Puzzle vorstellen. Erst einmal müssen wir uns klar machen, welche Zutaten oder Produktionsfaktoren für die Herstellung eines Guts, also eines physisch-materiellen Produkts oder einer Dienstleistung, notwendig ist. Meist werden Rohstoffe oder Materialien benötigt, die auf der Basis von Wissen und mit Hilfe von Energie und menschlicher Arbeit in eine Form gebracht werden, die ein menschliches Bedürfnis erfüllt. Oft ist auch Land notwendig, besonders in der Landwirtschaft.
Beim Commoning werden die Bereiche Wissen und menschliche Arbeit anders organisiert als in der Marktwirtschaft. Das Wissen wird frei geteilt, die menschliche Arbeit wird zumindest zu einem größeren Teil freiwillig von denen erledigt, die selbst von den Gütern profitieren. Bei diesen Faktoren fallen also bereits bei heutigen Commons-Projekten keine oder nur geringe Kosten an. Rohstoffe, Land und Energie dagegen müssen meist auf dem Markt erworben werden. Diese Produktionsfaktoren sind also für die meisten fehlenden Puzzleteile beim Commoning zur Produktion materieller Güter verantwortlich.
Wie bereits angesprochen, werden beim Commoning in der Regel keine oder nur geringe Einkünfte mit dem Verkauf von Produkten erzielt. Somit ist die Finanzierung der Kosten eine große Herausforderung. Als Grundsatz kann dabei gelten: Je weniger das Produktionsvorhaben von kontinuierlichen Einnahmen abhängt, um so einfacher ist die Organisation und Realisierung der Commoning-Projekte.
Da Wissen heutzutage sehr einfach über das Internet zirkulieren kann, sind reine Wissensprodukte am einfachsten zu realisieren: wenn eine Person oder Gruppe ein Bedürfnis besitzt – etwa eine bestimmte Software benötigt – und bereit ist, dieses selbst zu erfüllen. Wird das Ergebnis frei lizenziert und geteilt, entstehen freie Digitalprodukte wie Open-Source-Software. Die Motivation dahinter ist manchmal altruistisch, aber es spielt auch eine Rolle, dass eine freie Lizenz andere zu Verbesserungen anspornen kann, von denen man potenziell profitiert. In anderen Fällen steht eine intrinsische Motivation dahinter, eigenes vorhandenes Wissen weiterzugeben und anzuwenden, etwa bei Personen, die in Wikipedia schreiben.
Jedenfalls ist die Tatsache, dass außer Wissen und Arbeit keine großartigen Anschaffungen oder Investitionen notwendig sind, ein entscheidender Vorteil solcher immateriellen Commons-Initiativen und erklärt ihren bisherigen Erfolg. Das Puzzle wurde für diesen Bereich also größtenteils bereits gelöst.
Auf dem Gebiet der materiellen Güter gibt es seit einigen Jahrzehnten einen Bereich, in dem auf Commoning-Prinzipien basierende Projekte häufiger werden: solidarische Landwirtschafts- und Gartenbau-Initiativen. Warum wurden gerade bei diesen Aktivitäten Erfolge erzielt?
Ein entscheidender Vorteil der Landwirtschaft ist, dass die Produktion nicht von vielen komplexen Vorprodukten abhängt und dass die Arbeit weitgehend von den Teilnehmern übernommen werden kann. Auch sind die meisten Aufwendungen Fixkosten wie Land und Maschinen. Ist ihre Finanzierung gesichert, kann die Produktion beginnen. Daher sind die Organisation und die Aufteilung der Kosten relativ einfach und ermöglicht Experimente. Zwar wird in einigen Projekten noch traditionell gewirtschaftet, die Teilnehmenden zahlen dann beispielsweise regelmäßig für eine Gemüsekiste. Viele Projekte haben den Charakter eines Verkaufs von Produkten jedoch überwinden können, indem beispielsweise auf Bieterrunden gesetzt wird, eine Art Auktionen, bei denen jeder gemäß seiner finanziellen Möglichkeiten beiträgt.
Diese vergleichsweise einfache Finanzierung und eine wenig komplexe Arbeitsteilung hat zu großen Teilen zu den Erfolgen dieser Bewegung beigetragen, die im deutschen Sprachraum unter dem Stichwort Solawi und im englischsprachigen Raum unter der Abkürzung CSA (community-supported agriculture) bekannt ist. Aus ähnlichen Gründen ist die Landwirtschaft auch der Sektor, in dem auch das traditionelle Commoning am weitesten verbreitet war und ist, man denke an Allmendeweiden.
Ökonomisch betrachtet tendieren Commons-Projekte zu Aktivitäten, die keine oder nur niedrige Grenzkosten erfordern – dies sind Aufwendungen, die für jede neue Einheit des Produkts neu ausgegeben werden müssen. Einmalige Anschaffungen sind oft zu stemmen, aber variable Kosten wie Materialien oder Brenn- und Kraftstoffe sind problematisch, wenn auf Verkäufe verzichtet werden soll, da sie hohe Grenzkosten verursachen. Das Prinzip einer möglichst geringen Abhängigkeit von regelmäßigen Einkünften ist auch einer der Punkte, die im vorigen Text dieser Artikelserie angesprochen wurden, als es um die Tendenz des Commoning zur Ressourcenschonung ging.
Die Tendenz zur Ressourcenschonung beim Commoning hat auch einen weiteren Grund. Es steht meist die langfristige Erfüllung von Bedürfnissen der Teilnehmenden im Vordergrund. Wie oben bereits erwähnt werden daher Regeln ausgehandelt, um Projekte nachhaltig auf Dauer betreiben zu können. Dazu gehört, dass Ressourcen gepflegt und nicht verschwendet werden.
Der Null-Grenzkosten-Betrieb: Produkte zum Materialkostenpreis
Trotz der Herausforderungen, die sich bei der Finanzierung ergeben, gibt es Hoffnung, dass das Commoning in absehbarer Zukunft auf weitere Wirtschaftszweige ausgeweitet werden kann. In neuerer Zeit hat sich zu Arbeit und Wissen ein weiterer interessanter Produktionsfaktor gesellt, von dem Commons-Projekte profitieren können. Er steht nach einmaligen Anschaffungen über Jahrzehnte weitgehend kostenlos zur Verfügung: Strom aus Erneuerbaren Energien. Ein Windrad oder ein kleiner Solarpark könnten beispielsweise eine solidarische Gartenbau-Initiative versorgen.
Die Grenzkosten sind vernachlässigbar, sobald die Finanzierung der Anlagen gesichert ist. Dies ist einer der Gründe, warum Commons-Projekte zu erneuerbaren Energien tendieren. Fossile Brenn- und Kraftstoffe müssen hingegen stetig neu gekauft werden und führen daher zu signifikanten Grenzkosten. Hier wird also wieder das Prinzip der Ressourcenschonung sichtbar.
Auch Automatisierungstechnologien können Commoning vereinfachen. Gibt es beispielsweise Routinearbeiten, für die normalerweise lange Arbeitseinsätze notwendig sind, kommt das Konzept, dass die Teilnehmenden weitgehend freiwillig die Aufgaben übernehmen, an seine Grenzen. In einigen Fällen kann dennoch auf bezahlte Lohnarbeit verzichtet werden, indem die Produktivität je nach Produkt beispielsweise mit Industrie- oder Agrarrobotern, Bewässerungssystemen, Künstlicher Intelligenz oder einer Fabber-Lösung wie etwa einer CNC-Maschine erhöht wird.
Ein weiterer Baustein des Puzzles ist die freie Lizenzierung von Produktionstechnologien nach dem Open Hardware-Prinzip, gerade im Bereich der Automatisierung. Solche Initiativen könnten andere Commons-Projekte mit Maschinen und Werkzeugen versorgen, zu potenziell wesentlich geringeren Kosten als beim Kauf auf dem Markt. Es gibt seit langem Open-Hardware-Projekte für Fabber wie den RepRap und in jüngerer Zeit auch Solar- und Windinstallationen sowie einfache Industrieroboter. Mehrere solcher Produktionsmittel werden vom Projekt Open Source Ecology entwickelt, das aus zwei unabhängigen Initiativen in den USA und Deutschland besteht.
In einigen wenigen Fällen ist auch eine Primärproduktion oder Förderung von Materialien und Rohstoffen auf Commons-Basis möglich, etwa wenn es sich um nachwachsende, landwirtschaftliche Erzeugnisse, um aus Abfällen gewonnene Recycling-Güter oder um sehr häufig vorhandenen Stoffen wie etwa Erde oder Kies handelt. Bei vielen Gütern, wie etwa bei Vorprodukten der Elektronik, wäre aber die Rohstoffförderung so teuer und logistisch aufwändig, dass sie zu signifikanten Grenzkosten führen würde.
Im Buch Nie wieder Knappheit wird als Zwischenlösung der Null-Grenzkosten-Betrieb ausführlich vorgestellt. Hier handelt es sich um eine hoch automatisierte Produktionsinfrastruktur, etwa eine Fabrik oder ein FabLab, die unter Einsatz von erneuerbaren Energien und einem geringen Maß an Freiwilligenarbeit sowie auf freiem Wissen basierenden Technologien Produkte herstellt. Die Materialien und Rohstoffe werden jedoch ausgeklammert: Für diese sind die Personen verantwortlich, die die Endprodukte konsumieren werden. Grenzkosten treten also für die vom Betrieb durchgeführten Produktionsschritte kaum auf.
Wenden wir das Prinzip einmal auf unseren vorhin erwähnten solidarischen Gartenbaubetrieb an: Statt langen Arbeitseinsätzen mit Hacke, Spaten oder Traktor könnte eine automatisierte, etwa auf Hydroponik basierende Open-Hardware-Gartenbaulösung eingesetzt werden (im Maker-Wiki WikiFab werden schon heute einige Beispiele vorgestellt), die von einer Windenergieanlage mit Batteriespeicher angetrieben wird. Den Dünger als variable Kosten bringen die späteren Konsumenten mit oder erwerben ihn gemeinsam für alle. Freiwilligeneinsätze würden nur für Wartung und Instandhaltung der Infrastruktur sowie einige wenige Schritte wie Aussaat und Ernte notwendig.
Der Vorteil dieses Konzepts: Es kann in einigen Bereichen wahrscheinlich bereits in naher Zukunft realisiert werden, ohne notwendige große Technologiesprünge. Werden hingegen auch die Rohstoffe und Materialien mitgedacht, liegt die Herstellung selbst vieler einfacher Produkte rein auf Commons-Basis, also ohne einem irgendwie gearteten Verkauf oder Tausch von Produkten, in weiter Ferne.
Mit Null-Grenzkosten-Betrieben würden zumindest Produkte entstehen, die zum Preis der Materialkosten verfügbar würden. Dies bedeutet in einigen Fällen eine drastische Kostenreduzierung. Ein solcher Erfolg des Commoning wäre daher auch für Menschen “greifbar”, die ansonsten nicht in entsprechenden Communitys aktiv sind. Das könnte die Dynamik in die Commons-Bewegung zurückbringen.
Wie soll das bezahlt werden? Mit Commons-Finanzprodukten!
Soll Commoning einmal größere Teile der menschlichen Grundbedürfnisse erfüllen, müsste dieser Ansatz weiterentwickelt werden. Komplexere Produkte erforderten längere Lieferketten, die von Null-Grenzkosten-Betrieben abgedeckt werden müssten, und somit auch höhere Investitionen in Technologie und andere Fixkosten. Spätestens dann wäre ein leistungsfähiges Finanzierungskonzept für die Projekte notwendig, das etwa mit dem marktwirtschaftlichen Instrument der Kapitalgesellschaft (etwa der Aktiengesellschaft und der GmbH/Limited) mithalten kann.
Eine Möglichkeit wäre, die Produkte zunächst wie ein Unternehmen “regulär” zu verkaufen und den Aufbau von utopischeren Infrastrukturen wie des Null-Grenzkosten-Betriebes in die Zukunft zu verschieben oder erst einmal auszuklammern. Auf Basis dieser Idee werden seit einigen Jahren Geschäftsmodelle im Open-Hardware-Bereich erprobt. Die Finanzierung erfolgt meist über Kredite, möglich sind aber auch Gründungen von Genossenschaften oder Kapitalgesellschaften.
Es ist jedoch unklar, wie der Übergang von einem mehr oder weniger traditionellen Unternehmen hin zu einem vollständig auf Commons-Basis funktionierenden Projekt vonstatten gehen soll. Schließlich müssen Kredite zurückgezahlt werden, und das geht vermutlich nur mit längerfristigen kontinuierlichen Einnahmen. Das Materialkostenpreis-Modell müsste also womöglich lange warten.
Womöglich vielversprechender könnte ein Verkauf der Produkte im Voraus sein, ähnlich wie beim heutigen Crowdfunding. Anstatt etwa einen Kredit zurückzuzahlen, würde das Projekt Investierende mit seinen eigenen Produkten belohnen. Allerdings gibt es ein Problem: Oft wird der Materialkostenpreis, der ja das Ziel der Null-Grenzkosten-Betriebe darstellt, erst längere Zeit nach der Aufnahme der Produktion erreichbar sein. Die frühen Investierenden wären also gewissermaßen benachteiligt gegenüber denen, die später einsteigen. Sie könnten daher mit ihrer Investition warten, was die Dynamik bremsen würde.
Auf diesen Überlegungen basiert das Konzept der Commons-Finanzprodukte. Die Grundidee: Es werden Produkte im Voraus verkauft, für für einen Betrag, der dem Marktpreis vergleichbarer Güter entspricht. Jedoch wird allen Kaufenden nach der Lieferung des Produkts und einer Wartezeit ein Bonus gewährt, der um so höher ist, je später das Lieferdatum gewählt wird. Sie erhalten also einen Vorteil ähnlich eines Zinses.
Dieser Bonus kann unterschiedlich ausfallen. Denkbar sind etwa ein Rabatt beim nächsten Kauf, ein Zusatzprodukt nach einer weiteren Frist oder eine durchgängige Versorgung mit einem Produkt zum Materialkostenpreis. Dies hängt davon ab, wie sicher die erfolgreiche Umstellung auf das Konzept des Null-Grenzkosten-Betriebes ist, also wie ausgereift etwa das Automatisierungskonzept zur Herstellung der Produkte ist.
Die Frist bis zum Bonus kann bei Pionierprojekten, bei denen noch Zweifel bei der Realisierbarkeit bestehen, durchaus mehrere Jahre in die Zukunft verschoben werden. Dies sollte jedoch kein Problem darstellen, denn auch im heutigen Finanzsektor gibt es Anleihen und Wertpapiere mit langer Laufzeit. Ein Beispiel für eine bereits heute bestehende Finanzierung von Produkten weit im Voraus sind Medizin- und Biotechnologieunternehmen.
Der Hauptanreiz: Motivation durch Versorgungssicherheit
Bei entsprechender Ausgestaltung könnten solche Commons-Finanzprodukte zu einer interessanten Alternative für Menschen werden, die langfristig ihre Grundbedürfnisse sichern möchten. Für die Altersvorsorge wären sie womöglich ähnlich attraktiv oder sogar noch attraktiver als traditionelle Finanzprodukte wie etwa Aktien oder Fonds.
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Eine Person möchte zumindest für die Grundbedürfnisse im Alter vorsorgen. Sie unterstützt daher verschiedene Projekte: etwa ein Lebensmittel-Projekt, das regelmäßig Grundnahrungsmittel und Gemüse liefert, ein Immobilien-Projekt, das nach einer Reihe von Zahlungen Wohnraum für die Bedürfnisse in verschiedenen Lebensphasen zur Verfügung stellt, und ein Gesundheits- und Pflege-Projekt, das eine würdige Versorgung garantiert. Weitere Bausteine wie etwa Mobilität und Kultur können natürlich dazukommen. Ein solches Renten-Ersatzpaket könnte sogar als einzelnes Produkt von einer Gruppe Projekte angeboten werden.
Solange es sich um seriöse Projekte handelt, die die Planung ernst nehmen und keine utopischen Versprechungen abgeben, könnte sich die Sicherheit der Altersvorsorge im Vergleich zu Aktien oder Investmentfonds sogar erhöhen. Denn Commons-Projekte müssen nur die Bedürfniserfüllung bereitstellen. Besonders Aktiengesellschaften weisen hingegen eine Reihe von weiteren Risiken auf, da ihr Gewinn hoch genug sein muss, um stets die Aktionärsinteressen zu befriedigen. Es kann sein, dass trotz zufriedenstellend laufendem Betrieb wegen zu geringer Rentabilität Investierende abspringen und der Konkurs droht. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ist dieser Vorteil nicht zu unterschätzen.
Die Versorgungssicherheit könnte also zum Hauptanreiz werden, der die Menschen zunächst in Kontakt mit dem Commoning bringt. Und da Fehlschläge trotzdem nicht ganz ausgeschlossen werden können: Ähnlich wie bei Aktien können Risiken durch Diversifikation der Commons-Finanzprodukte gemindert werden. Es wären also auch hier Konstruktionen wie Fonds möglich.
Wenn das Finanzierungsproblem auf diese Weise gelöst werden kann, könnte anreizbasiertes Commoning, das auf solche Finanzprodukte setzt, sich bald als wirklich konkurrenzfähige Alternative zur Marktwirtschaft darstellen. Dabei ist es gar nicht einmal so wichtig, ob ein Null-Grenzkosten-Betrieb schnell realisiert wird: wichtiger ist, dass es einen klaren und realistischen Pfad, eine Art Roadmap also, hin zu diesem Ziel gibt. Dieser sollte nicht viel mehr als ein Jahrzehnt umfassen und transparent kommuniziert werden, so dass für jede Commons-Finanzprodukte-Käuferin der Fortschritt stets nachverfolgt werden kann. Wie vorhin bereits erwähnt, dürfte es in vielen Fällen, etwa bei Gemüseanbau, wesentlich schneller gehen.
Ergänzt werden kann eine solche Finanzierung von einem Teilnahmeanreiz. Jede Person, die am Projekt oder einem verbundenen Projekt teilnimmt und dabei mehr als typische Freiwilligenarbeit leistet, könnte statt eines Lohns für Commons-Finanzprodukte optieren. Möglich wäre auch ein System gewichteter Arbeit, wie es von Christian Siefkes 2007 in seinem Buch Beitragen statt tauschen vorgeschlagen wurde. Es basiert auf einer Art Auktion, bei der die Teilnehmenden belohnt werden, die unattraktive Aufgaben übernehmen.
Zwar wird verschiedentlich befürchtet, von einem solchen lohnähnlichen Arbeitsverhältnis könne sich die Motivation rein freiwilliger Teilnehmer verringern. Dabei könnte man sich jedoch an Erfahrungen in Open-Source-Projekten wie dem Linux-Kernel sowie bei Vereinen und Nichtregierungsorganisationen, bei denen neben ehrenamtlichen auch bezahlte Kräfte Aufgaben übernehmen, orientieren. Auch sonst hat ein solches Commons-Projekt viel mit einem typischen Verein gemein, nur dass es eben statt eines Hobbys oder Sport um die Befriedigung von Grundbedürfnissen geht. Zudem sollten solche “lohnähnlichen” Arbeitsverhältnisse mit der Zeit immer weniger werden, wenn die Roadmap eingehalten wird und nicht freiwillig erbrachte Leistungen dank einer wachsenden Zahl von Null-Grenzkosten-Betrieben graduell automatisiert werden.
Ausblick: Schnell genug für den Klimakrisenstopp?
Man könnte nun einwenden, dass die Umstellung auf ein solches Modell viel zu langsam ginge, um eine verhängnisvolle Klimakrise noch zu verhindern. Dies sollte solche Überlegungen bis hin zur Planung von Projekten jedoch nicht stoppen. Und das gleich aus mehreren Gründen.
Einmal sind selbst bei einer langsameren Verbreitung des Commonings Effekte auf den fossilen Energieverbrauch zu erwarten – vermutlich in jedem Wirtschaftssektor, in dem diese Arbeitsweise eine Rolle spielt. In der Marktwirtschaft gibt es kaum inhärente Anreize, auf diese Energieformen zu verzichten. Zwar verursachen sie Kosten, doch wenn das Geschäftsmodell profitabel bleibt, ist dies von untergeordneter Bedeutung, da die Einnahmen diese Kosten decken.
Wie oben angesprochen, machen beim Commoning hingegen nicht nachwachsende Rohstoffe, also auch jeder Liter Öl oder jeder Kubikmeter Erdgas, die Organisation der Produktionsprozesse komplizierter und sorgen für hohe Grenzkosten bei den Produkten und Dienstleistungen. Eine eigene Förderung wäre zwar theoretisch möglich, wäre aber sehr komplex zu organisieren und würde auch dem Grundgedanken der Nachhaltigkeit und Langfristigkeit widersprechen, der den meisten Commons-Initiativen eigen ist.
Dann können viele existierende Betriebe so umgebaut werden, dass sie auf das Ziel Commoning hinarbeiten. Technisch werden oft die gleichen Verfahren und Prozesse genutzt werden, wenn auch die Automatisierung eine größere Rolle spielen wird.
Es bestehen keine Hinweise, dass Commoning an sich weniger effizient ist als herkömmliches marktwirtschaftliches Wirtschaften. Wenn die Produktionsprozesse wie im letzten Text beschrieben auf Zeiten mit hohem erneuerbaren Energieangebot beschränkt wird, könnten zwar im Vergleich zum Just-in-Time-Prinzip (JIT) geringe Effizienzeinbußen entstehen, da beispielsweise mehr Lagerkapazitäten benötigt würden. Dies wird jedoch durch mehrere Vorteile wettgemacht.
Ein Beispiel ist der weitgehende Wegfall von Werbung und Marketing. Zwar müssen auch Commons-Betriebe sich bekannt machen. Doch auch hier spielt eine große Rolle, dass Verbraucher und Commons-Projekt grundsätzlich die gleichen Interessen bezüglich der Produkte besitzen, etwa was ihre Qualität und den Preis angeht. Das Ziel ist schließlich nicht, Produkte zu verkaufen, sondern Bedürfnisse zu erfüllen. Teure Werbekampagnen und PR-Aktionen inklusive notwendiger Geschäftsreisen, die Emotionen bei potenziellen Konsumenten auslösen oder sogar ganz neue Bedürfnisse schaffen sollen, wären unnötig. Einfache, günstige oder kostenlose Kommunikationsstrategien fast ohne Treibhausgas-Footprint, etwa über soziale Netzwerke, reichen wahrscheinlich meistens aus.
Doch es könnte noch besser kommen: Wird durch erfolgreiche Projekte der Beweis erbracht, dass Commoning konkurrenzfähig zur Marktwirtschaft ist, könnte dies einen positiven Kipppunkt auslösen. Commoning könnte dann ähnlich wie beim weiter oben erwähnten Beispiel Wikipedia innerhalb weniger Jahre wirtschaftlich zumindest in einigen Wirtschaftssektoren dominant werden. Der Traum vom Auskooperieren wäre dann in Erfüllung gegangen.
Bis dieser Punkt bei materiellen Gütern erreicht wird, ist natürlich einiges an Arbeit und Planung nötig. Es könnten sich zunächst Vor-Projekte bilden, die die Umwandlung von einzelnen Produktionsprozessen auf Commoning wissenschaftlich untersuchen. Denkbar wären Simulationen über die benötigten Commoning-Lieferketten und die notwendige Rest-Lohnarbeit, und Konzepte, wie auf diese graduell verzichtet werden kann.
In vielen Branchen wird eine Commoning-Dominanz zunächst sicher utopisch erscheinen. Doch es kann mit einfachen Hacks mit kurzen Lieferketten und ausgereiften Automatisierungstechnologien begonnen werden. Wenn damit in absehbarer Zeit Erfolge erzielt werden, könnte sich schnell eine Dynamik entwickeln, die auch für komplexere Produkte mit komplexen Vorprodukte-Abhängigkeiten realistische Konzepte hervorbringt.
Wie oben bereits angemerkt wären einige Null-Grenzkosten-Betriebe schon in sehr naher Zukunft denkbar, etwa das angesprochene automatisierte Gemüseanbau-Projekt oder auch ein 3D-Druckautomat für einfache Kunststoff- oder Metallgegenstände, der den Teilnehmern frei zur Verfügung steht und mit einem Solarpanel mit Energie versorgt würde. Schon die heutigen Verkaufsautomaten können schon fast als Null-Grenzkosten-Betriebe bezeichnet werden, da sie einen Produktionsschritt – den Verkauf – vollautomatisch übernehmen. Allerdings sind nur wenige von ihnen auch bei der Energieversorgung autark. Der Schritt hin zu einem Automaten mit eigener Stromversorgung ist jedoch relativ klein.
All diese Überlegungen deuten darauf hin, dass wir Commoning eine Chance geben sollten. Die Auswirkungen auf das Erreichen der Klimaneutralität könnten jedenfalls potenziell sehr groß sein. Es wäre fast fahrlässig, es nicht zu versuchen.
Im letzten Text der Serie möchten wir einen Blick auf das mögliche Goldene Zeitalter werfen, das beginnen könnte, wenn die Klimaneutralität erreicht wurde und Commoning viele Wirtschaftssektoren erobert und auskooperiert hat. Wir gehen ein auf die möglichen Änderungen im Alltag, im Arbeitsleben, der lokalen Wirtschaftsstruktur und dem Transportwesen. Und wir stellen ein Konzept für die Bekämpfung der Armut vor, die Freie Grundversorgung.