Commons & Anreize & Klimaschutz

Anreizbasiertes Commoning: Die Marktwirtschaft auskooperieren

Anreizbasiertes Commoning: Die Marktwirtschaft auskooperieren

Ein Wandel hin zu einer gemeinschaftlichen Produktionsweise könnte den Fortschritt hin zur Klimaneutralität beschleunigen. Wie könnte das heute auf Nischen beschränkte Commons-basierte Modell sich durchsetzen? Vielleicht sind zwei ganz traditionelle Werte die Schlüsselbegriffe: Versorgungssicherheit und eine nachhaltige Altersvorsorge.

Der Begriff Commoning beschreibt die gemeinschaftliche Selbstverwaltung, Pflege und Nutzung von Ressourcen. Kurz gesagt: Eine Gruppe Menschen schließt sich zusammen, meist um gemeinsam eigene Bedürfnisse zu erfüllen. Werden dabei Güter hergestellt, so werden diese in der Regel nicht verkauft: Sobald die notwendigen Ressourcen bereitgestellt oder mögliche Kosten finanziert wurden, wird die Produktion aufgenommen und später die Erzeugnisse an die Mitglieder der Gruppe verteilt.

Es handelt sich um eine alte Praktik. So sind im europäischen Raum Allmendeweiden verbreitet, auch Fischgründe werden seit Urzeiten selbstorganisiert verwaltet. Gehen dabei die Gruppen und Projekte intelligent vor, kann die Tragik der Allmende durch klare Regeln für die Nutzenden verhindert werden, wie die Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom in ihren Untersuchungen ab den 1980er Jahren belegen konnte. Es kommt also oftmals nicht zu einer Übernutzung der Ressourcen.

In neuerer Zeit hat sich eine modernere Form des Commoning herausgebildet. Dabei wird Wissen aller Art oft über das Internet geteilt und gemeinschaftlich gepflegt, was in Anlehnung an die Peer-Review-Kultur in den Wissenschaften auch als Wissenskommunismus bezeichnet wird. Bei diesen digitalen Commons kann es sich um Software, wie bei Open-Source-Anwendungen wie dem Smartphone-Betriebssystem Android, Medien wie etwa der Enzyklopädie Wikipedia oder auch Anleitungen aller Art handeln.

Auch hier gibt es mit den Freien Lizenzen klare Regeln, was die Nutzenden dürfen und was nicht. Meist ist die Nutzung zur Befriedigung eigener Bedürfnisse nicht eingeschränkt, Open-Source-Software darf also etwa zu jedem privaten oder gewerblichen Zweck verwendet werden. Etwas strenger sind die Regeln für die Weiterentwicklung. Ein wichtiges Prinzip ist das Copyleft, das etwa in der General Public License, einer beliebten Softwarelizenz, zum Ausdruck kommt: Wer eine Wissensressource weiterentwickelt, soll seine Änderungen ebenfalls unter eine freie Lizenz stellen und sie mit jeder interessierten Person teilen. So wird sichergestellt, dass niemand sich gemeinschaftlich bereitgestellte Ressourcen einfach aneignet, sondern die ganze Open-Source-Gemeinschaft von Verbesserungen profitiert.

(Dieser Text ist Teil einer Einführung in die Konzepte, die in diesem Blog besprochen werden: #1 Das Goldene Zeitalter der Klimaneutralität, #2 100% Erneuerbare, #3 Anreizbasierte Commons (dieser Post), y #4 Freie Grundversorgung.)

Wissenskommunistische Ideen und Projekte greifen inzwischen auch auf die Welt der materiellen Güter über, was sich im Konzept der Open Hardware und den Aktivitäten der Maker-Szene äußert. Die Idee ist hier, alles Wissen zur Herstellung eines Gutes, etwa CAD/CAM-Baupläne oder Rezepturen, ebenfalls unter Freie Lizenzen zu stellen. Selbst komplexe Produkte wie etwa Mikrochips sind bereits auf diese Weise veröffentlicht worden. Und mit den sogenannten Fabbern, beispielsweise 3D-Druckern, steht seit mehr als einem Jahrzehnt eine relativ günstige Technologie zur Verfügung, um einige Güter auf Basis solcher Pläne weitgehend vollautomatisiert herzustellen.

In einigen Gebieten hat sich dieses moderne Commoning inzwischen als Alternative zu marktwirtschaftlichen Betriebsformen etabliert. Bei Wikipedia dauerte es nur wenige Jahre, bis ein Commons-“Produkt” gegenüber von Unternehmen produzierten Enzyklopädien wie der Britannica die Marktführerschaft erlangte. Linux benötigte etwas länger, ist aber mit Ausnahme der (immer selteneren) Desktop-Computer seit Mitte der 2010er Jahre das führende Betriebssystem für digitale Geräte, von Ampeln bis hin zu Android-Smartphones und Supercomputern.

Somit träumte die Commons-Szene spätestens seit den Nullerjahren vom Auskooperieren – so wird die Erlangung der Dominanz in einer Marktnische zuweilen genannt – vieler Wirtschaftszweige, hin zu einem Utopia kostenloser und gemeinschaftlich produzierter Güter. Und es wurden bis in die jüngste Zeit hinein wichtige Organisationen und Projekte gegründet, von der P2P Foundation über das deutsche Commons-Institut und die Open Hardware Association (OSHWA) bis hin zum Digital Commons Policy Council (DCPC).

In neuerer Zeit wurden einige weitere Erfolge vermeldet, etwa die Popularisierung der sozialen P2P-Netzwerke Mastodon, Nostr und Bluesky. Doch etwas scheint zu fehlen. Es wurde recht schnell klar, dass etwa 3D-Drucker alleine das Problem der Produktion materieller Güter nicht lösen können und der Aufbau einer Produktions-Infrastruktur eine komplexere Angelegenheit ist. Auch erste Enttäuschungen folgten, etwa beim seit 2013/14 nur noch langsam fortschreitenden wichtigen Projekt Open Source Ecology. Vielleicht hat auch der Fachkräftemangel in Europa und den USA beigetragen, die Dynamik etwas abzubremsen – auch für Commons-Projekte ist es schwieriger geworden, erfahrene Profis und Talente anzuwerben.

Eine gewisse Dynamik wäre aber wichtig, um die noch fehlenden, entscheidenden Fortschritte zu erzielen. Wenn das Modell auf breite Teile der Wirtschaft angewendet werden könnte, hätte dies sehr wahrscheinlich äußerst positive Folgen für Klima und Umwelt und würde auch bei der Bekämpfung der weltweiten Armut helfen.

Wie könnte diese Dynamik zurückkommen? Ist es vielleicht sogar möglich, bald einen sich selbst verstärkenden Prozess der Transition hin zum Commoning zu starten?

In diesem Artikel soll das Modell des anreizbasierten Commoning vorgestellt werden. Der Ansatz versucht bestimmte Formen von extrinsischen Anreizen, die auch in der Marktwirtschaft wirken, in das Commons-Modell einzubauen. Und zwar so, dass die gemeinschaftliche Arbeitsweise und das inklusive Konzept nicht in Frage gestellt wird. (Anmerkung: Bei extrinsischen Anreizen handelt es sich um Motivationsmechanismen, die nicht direkt mit dem produzierten Gut oder der verwalteten Ressource selbst zu tun haben, also etwa jede Art von Belohnungen.) In diesem Text sollen besonders zwei entscheidende Anreizprozesse vorgestellt werden, die zur Teilnahme an Commons-Projekten motivieren könnten: die Aussicht auf Versorgungssicherheit und eine sichere Altersvorsorge.

Die Herausforderung: Bedürfnisse erfüllen ohne Warenverkauf

Was fehlt eigentlich genau, um viele wichtige menschliche Grundbedürfnisse basierend auf Commons-Grundsätzen zu erfüllen, etwa über eine weitverbreitete gemeinschaftliche Produktion? Nähern wir uns diesem Problem einmal mit dem herkömmlichen güterzentrierten Ansatz an, der für viele Menschen am verständlichsten ist. Angemerkt sei hier, dass in der aktuellen Commons-Forschung der Fokus auf Prozessen und Strukturen anstatt auf Gütern liegt.

Wir können uns diese Herausforderung als Puzzle vorstellen. Erst einmal müssen wir uns klar machen, welche Zutaten oder Produktionsfaktoren für die Herstellung eines Guts, also eines physisch-materiellen Produkts oder einer Dienstleistung, notwendig ist. Meist werden Rohstoffe oder Materialien benötigt, die auf der Basis von Wissen und mit Hilfe von Energie und menschlicher Arbeit in eine Form gebracht werden, die ein menschliches Bedürfnis erfüllt. Oft ist auch Land notwendig, besonders in der Landwirtschaft.

Beim Commoning werden die Bereiche Wissen und menschliche Arbeit anders organisiert als in der Marktwirtschaft. Das Wissen wird frei geteilt, die menschliche Arbeit wird zumindest zu einem größeren Teil freiwillig von denen erledigt, die selbst von den Gütern profitieren. Bei diesen Faktoren fallen also bereits bei heutigen Commons-Projekten keine oder nur geringe Kosten an. Rohstoffe, Land und Energie dagegen müssen meist auf dem Markt erworben werden. Diese Produktionsfaktoren sind also für die meisten fehlenden Puzzleteile beim Commoning zur Produktion materieller Güter verantwortlich.

Wie bereits angesprochen, werden beim Commoning in der Regel keine oder nur geringe Einkünfte mit dem Verkauf von Produkten erzielt. Somit ist die Finanzierung der Kosten eine große Herausforderung. Als Grundsatz kann dabei gelten: Je weniger das Produktionsvorhaben von kontinuierlichen Einnahmen abhängt, um so einfacher ist die Organisation und Realisierung der Commoning-Projekte.

Da Wissen heutzutage sehr einfach über das Internet zirkulieren kann, sind reine Wissensprodukte am einfachsten zu realisieren: wenn eine Person oder Gruppe ein Bedürfnis besitzt – etwa eine bestimmte Software benötigt – und bereit ist, dieses selbst zu erfüllen. Wird das Ergebnis frei lizenziert und geteilt, entstehen freie Digitalprodukte wie Open-Source-Software. Die Motivation dahinter ist manchmal altruistisch, aber es spielt auch eine Rolle, dass eine freie Lizenz andere zu Verbesserungen anspornen kann, von denen man potenziell profitiert. In anderen Fällen steht eine intrinsische Motivation dahinter, eigenes vorhandenes Wissen weiterzugeben und anzuwenden, etwa bei Personen, die in Wikipedia schreiben.

Jedenfalls ist die Tatsache, dass außer Wissen und Arbeit keine großartigen Anschaffungen oder Investitionen notwendig sind, ein entscheidender Vorteil solcher immateriellen Commons-Initiativen und erklärt ihren bisherigen Erfolg. Das Puzzle wurde für diesen Bereich also größtenteils bereits gelöst.

Auf dem Gebiet der materiellen Güter gibt es seit einigen Jahrzehnten einen Bereich, in dem auf Commoning-Prinzipien basierende Projekte häufiger werden: solidarische Landwirtschafts- und Gartenbau-Initiativen. Warum wurden gerade bei diesen Aktivitäten Erfolge erzielt?

Ein entscheidender Vorteil der Landwirtschaft ist, dass die Produktion nicht von vielen komplexen Vorprodukten abhängt und dass die Arbeit weitgehend von den Teilnehmern übernommen werden kann. Auch sind die meisten Aufwendungen Fixkosten wie Land und Maschinen. Ist ihre Finanzierung gesichert, kann die Produktion beginnen. Daher sind die Organisation und die Aufteilung der Kosten relativ einfach und ermöglicht Experimente. Zwar wird in einigen Projekten noch traditionell gewirtschaftet, die Teilnehmenden zahlen dann beispielsweise regelmäßig für eine Gemüsekiste. Viele Projekte haben den Charakter eines Verkaufs von Produkten jedoch überwinden können, indem beispielsweise auf Bieterrunden gesetzt wird, eine Art Auktionen, bei denen jeder gemäß seiner finanziellen Möglichkeiten beiträgt.

Diese vergleichsweise einfache Finanzierung und eine wenig komplexe Arbeitsteilung hat zu großen Teilen zu den Erfolgen dieser Bewegung beigetragen, die im deutschen Sprachraum unter dem Stichwort Solawi und im englischsprachigen Raum unter der Abkürzung CSA (community-supported agriculture) bekannt ist. Aus ähnlichen Gründen ist die Landwirtschaft auch der Sektor, in dem auch das traditionelle Commoning am weitesten verbreitet war und ist, man denke an Allmendeweiden.

Ökonomisch betrachtet tendieren Commons-Projekte zu Aktivitäten, die keine oder nur niedrige Grenzkosten erfordern – dies sind Aufwendungen, die für jede neue Einheit des Produkts neu ausgegeben werden müssen. Einmalige Anschaffungen sind oft zu stemmen, aber variable Kosten wie Materialien oder Brenn- und Kraftstoffe sind problematisch, wenn auf Verkäufe verzichtet werden soll, da sie hohe Grenzkosten verursachen. Das Prinzip einer möglichst geringen Abhängigkeit von regelmäßigen Einkünften ist auch einer der Punkte, die im vorigen Text dieser Artikelserie angesprochen wurden, als es um die Tendenz des Commoning zur Ressourcenschonung ging.

Die Tendenz zur Ressourcenschonung beim Commoning hat auch einen weiteren Grund. Es steht meist die langfristige Erfüllung von Bedürfnissen der Teilnehmenden im Vordergrund. Wie oben bereits erwähnt werden daher Regeln ausgehandelt, um Projekte nachhaltig auf Dauer betreiben zu können. Dazu gehört, dass Ressourcen gepflegt und nicht verschwendet werden.

Der Null-Grenzkosten-Betrieb: Produkte zum Materialkostenpreis

Trotz der Herausforderungen, die sich bei der Finanzierung ergeben, gibt es Hoffnung, dass das Commoning in absehbarer Zukunft auf weitere Wirtschaftszweige ausgeweitet werden kann. In neuerer Zeit hat sich zu Arbeit und Wissen ein weiterer interessanter Produktionsfaktor gesellt, von dem Commons-Projekte profitieren können. Er steht nach einmaligen Anschaffungen über Jahrzehnte weitgehend kostenlos zur Verfügung: Strom aus Erneuerbaren Energien. Ein Windrad oder ein kleiner Solarpark könnten beispielsweise eine solidarische Gartenbau-Initiative versorgen.

Die Grenzkosten sind vernachlässigbar, sobald die Finanzierung der Anlagen gesichert ist. Dies ist einer der Gründe, warum Commons-Projekte zu erneuerbaren Energien tendieren. Fossile Brenn- und Kraftstoffe müssen hingegen stetig neu gekauft werden und führen daher zu signifikanten Grenzkosten. Hier wird also wieder das Prinzip der Ressourcenschonung sichtbar.

Auch Automatisierungstechnologien können Commoning vereinfachen. Gibt es beispielsweise Routinearbeiten, für die normalerweise lange Arbeitseinsätze notwendig sind, kommt das Konzept, dass die Teilnehmenden weitgehend freiwillig die Aufgaben übernehmen, an seine Grenzen. In einigen Fällen kann dennoch auf bezahlte Lohnarbeit verzichtet werden, indem die Produktivität je nach Produkt beispielsweise mit Industrie- oder Agrarrobotern, Bewässerungssystemen, Künstlicher Intelligenz oder einer Fabber-Lösung wie etwa einer CNC-Maschine erhöht wird.

Ein weiterer Baustein des Puzzles ist die freie Lizenzierung von Produktionstechnologien nach dem Open Hardware-Prinzip, gerade im Bereich der Automatisierung. Solche Initiativen könnten andere Commons-Projekte mit Maschinen und Werkzeugen versorgen, zu potenziell wesentlich geringeren Kosten als beim Kauf auf dem Markt. Es gibt seit langem Open-Hardware-Projekte für Fabber wie den RepRap und in jüngerer Zeit auch Solar- und Windinstallationen sowie einfache Industrieroboter. Mehrere solcher Produktionsmittel werden vom Projekt Open Source Ecology entwickelt, das aus zwei unabhängigen Initiativen in den USA und Deutschland besteht.

In einigen wenigen Fällen ist auch eine Primärproduktion oder Förderung von Materialien und Rohstoffen auf Commons-Basis möglich, etwa wenn es sich um nachwachsende, landwirtschaftliche Erzeugnisse, um aus Abfällen gewonnene Recycling-Güter oder um sehr häufig vorhandenen Stoffen wie etwa Erde oder Kies handelt. Bei vielen Gütern, wie etwa bei Vorprodukten der Elektronik, wäre aber die Rohstoffförderung so teuer und logistisch aufwändig, dass sie zu signifikanten Grenzkosten führen würde.

Im Buch Nie wieder Knappheit wird als Zwischenlösung der Null-Grenzkosten-Betrieb ausführlich vorgestellt. Hier handelt es sich um eine hoch automatisierte Produktionsinfrastruktur, etwa eine Fabrik oder ein FabLab, die unter Einsatz von erneuerbaren Energien und einem geringen Maß an Freiwilligenarbeit sowie auf freiem Wissen basierenden Technologien Produkte herstellt. Die Materialien und Rohstoffe werden jedoch ausgeklammert: Für diese sind die Personen verantwortlich, die die Endprodukte konsumieren werden. Grenzkosten treten also für die vom Betrieb durchgeführten Produktionsschritte kaum auf.

Wenden wir das Prinzip einmal auf unseren vorhin erwähnten solidarischen Gartenbaubetrieb an: Statt langen Arbeitseinsätzen mit Hacke, Spaten oder Traktor könnte eine automatisierte, etwa auf Hydroponik basierende Open-Hardware-Gartenbaulösung eingesetzt werden (im Maker-Wiki WikiFab werden schon heute einige Beispiele vorgestellt), die von einer Windenergieanlage mit Batteriespeicher angetrieben wird. Den Dünger als variable Kosten bringen die späteren Konsumenten mit oder erwerben ihn gemeinsam für alle. Freiwilligeneinsätze würden nur für Wartung und Instandhaltung der Infrastruktur sowie einige wenige Schritte wie Aussaat und Ernte notwendig.

Der Vorteil dieses Konzepts: Es kann in einigen Bereichen wahrscheinlich bereits in naher Zukunft realisiert werden, ohne notwendige große Technologiesprünge. Werden hingegen auch die Rohstoffe und Materialien mitgedacht, liegt die Herstellung selbst vieler einfacher Produkte rein auf Commons-Basis, also ohne einem irgendwie gearteten Verkauf oder Tausch von Produkten, in weiter Ferne.

Mit Null-Grenzkosten-Betrieben würden zumindest Produkte entstehen, die zum Preis der Materialkosten verfügbar würden. Dies bedeutet in einigen Fällen eine drastische Kostenreduzierung. Ein solcher Erfolg des Commoning wäre daher auch für Menschen “greifbar”, die ansonsten nicht in entsprechenden Communitys aktiv sind. Das könnte die Dynamik in die Commons-Bewegung zurückbringen.

Wie soll das bezahlt werden? Mit Commons-Finanzprodukten!

Soll Commoning einmal größere Teile der menschlichen Grundbedürfnisse erfüllen, müsste dieser Ansatz weiterentwickelt werden. Komplexere Produkte erforderten längere Lieferketten, die von Null-Grenzkosten-Betrieben abgedeckt werden müssten, und somit auch höhere Investitionen in Technologie und andere Fixkosten. Spätestens dann wäre ein leistungsfähiges Finanzierungskonzept für die Projekte notwendig, das etwa mit dem marktwirtschaftlichen Instrument der Kapitalgesellschaft (etwa der Aktiengesellschaft und der GmbH/Limited) mithalten kann.

Eine Möglichkeit wäre, die Produkte zunächst wie ein Unternehmen “regulär” zu verkaufen und den Aufbau von utopischeren Infrastrukturen wie des Null-Grenzkosten-Betriebes in die Zukunft zu verschieben oder erst einmal auszuklammern. Auf Basis dieser Idee werden seit einigen Jahren Geschäftsmodelle im Open-Hardware-Bereich erprobt. Die Finanzierung erfolgt meist über Kredite, möglich sind aber auch Gründungen von Genossenschaften oder Kapitalgesellschaften.

Es ist jedoch unklar, wie der Übergang von einem mehr oder weniger traditionellen Unternehmen hin zu einem vollständig auf Commons-Basis funktionierenden Projekt vonstatten gehen soll. Schließlich müssen Kredite zurückgezahlt werden, und das geht vermutlich nur mit längerfristigen kontinuierlichen Einnahmen. Das Materialkostenpreis-Modell müsste also womöglich lange warten.

Womöglich vielversprechender könnte ein Verkauf der Produkte im Voraus sein, ähnlich wie beim heutigen Crowdfunding. Anstatt etwa einen Kredit zurückzuzahlen, würde das Projekt Investierende mit seinen eigenen Produkten belohnen. Allerdings gibt es ein Problem: Oft wird der Materialkostenpreis, der ja das Ziel der Null-Grenzkosten-Betriebe darstellt, erst längere Zeit nach der Aufnahme der Produktion erreichbar sein. Die frühen Investierenden wären also gewissermaßen benachteiligt gegenüber denen, die später einsteigen. Sie könnten daher mit ihrer Investition warten, was die Dynamik bremsen würde.

Auf diesen Überlegungen basiert das Konzept der Commons-Finanzprodukte. Die Grundidee: Es werden Produkte im Voraus verkauft, für für einen Betrag, der dem Marktpreis vergleichbarer Güter entspricht. Jedoch wird allen Kaufenden nach der Lieferung des Produkts und einer Wartezeit ein Bonus gewährt, der um so höher ist, je später das Lieferdatum gewählt wird. Sie erhalten also einen Vorteil ähnlich eines Zinses.

Dieser Bonus kann unterschiedlich ausfallen. Denkbar sind etwa ein Rabatt beim nächsten Kauf, ein Zusatzprodukt nach einer weiteren Frist oder eine durchgängige Versorgung mit einem Produkt zum Materialkostenpreis. Dies hängt davon ab, wie sicher die erfolgreiche Umstellung auf das Konzept des Null-Grenzkosten-Betriebes ist, also wie ausgereift etwa das Automatisierungskonzept zur Herstellung der Produkte ist.

Die Frist bis zum Bonus kann bei Pionierprojekten, bei denen noch Zweifel bei der Realisierbarkeit bestehen, durchaus mehrere Jahre in die Zukunft verschoben werden. Dies sollte jedoch kein Problem darstellen, denn auch im heutigen Finanzsektor gibt es Anleihen und Wertpapiere mit langer Laufzeit. Ein Beispiel für eine bereits heute bestehende Finanzierung von Produkten weit im Voraus sind Medizin- und Biotechnologieunternehmen.

Der Hauptanreiz: Motivation durch Versorgungssicherheit

Bei entsprechender Ausgestaltung könnten solche Commons-Finanzprodukte zu einer interessanten Alternative für Menschen werden, die langfristig ihre Grundbedürfnisse sichern möchten. Für die Altersvorsorge wären sie womöglich ähnlich attraktiv oder sogar noch attraktiver als traditionelle Finanzprodukte wie etwa Aktien oder Fonds.

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Eine Person möchte zumindest für die Grundbedürfnisse im Alter vorsorgen. Sie unterstützt daher verschiedene Projekte: etwa ein Lebensmittel-Projekt, das regelmäßig Grundnahrungsmittel und Gemüse liefert, ein Immobilien-Projekt, das nach einer Reihe von Zahlungen Wohnraum für die Bedürfnisse in verschiedenen Lebensphasen zur Verfügung stellt, und ein Gesundheits- und Pflege-Projekt, das eine würdige Versorgung garantiert. Weitere Bausteine wie etwa Mobilität und Kultur können natürlich dazukommen. Ein solches Renten-Ersatzpaket könnte sogar als einzelnes Produkt von einer Gruppe Projekte angeboten werden.

Solange es sich um seriöse Projekte handelt, die die Planung ernst nehmen und keine utopischen Versprechungen abgeben, könnte sich die Sicherheit der Altersvorsorge im Vergleich zu Aktien oder Investmentfonds sogar erhöhen. Denn Commons-Projekte müssen nur die Bedürfniserfüllung bereitstellen. Besonders Aktiengesellschaften weisen hingegen eine Reihe von weiteren Risiken auf, da ihr Gewinn hoch genug sein muss, um stets die Aktionärsinteressen zu befriedigen. Es kann sein, dass trotz zufriedenstellend laufendem Betrieb wegen zu geringer Rentabilität Investierende abspringen und der Konkurs droht. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ist dieser Vorteil nicht zu unterschätzen.

Die Versorgungssicherheit könnte also zum Hauptanreiz werden, der die Menschen zunächst in Kontakt mit dem Commoning bringt. Und da Fehlschläge trotzdem nicht ganz ausgeschlossen werden können: Ähnlich wie bei Aktien können Risiken durch Diversifikation der Commons-Finanzprodukte gemindert werden. Es wären also auch hier Konstruktionen wie Fonds möglich.

Wenn das Finanzierungsproblem auf diese Weise gelöst werden kann, könnte anreizbasiertes Commoning, das auf solche Finanzprodukte setzt, sich bald als wirklich konkurrenzfähige Alternative zur Marktwirtschaft darstellen. Dabei ist es gar nicht einmal so wichtig, ob ein Null-Grenzkosten-Betrieb schnell realisiert wird: wichtiger ist, dass es einen klaren und realistischen Pfad, eine Art Roadmap also, hin zu diesem Ziel gibt. Dieser sollte nicht viel mehr als ein Jahrzehnt umfassen und transparent kommuniziert werden, so dass für jede Commons-Finanzprodukte-Käuferin der Fortschritt stets nachverfolgt werden kann. Wie vorhin bereits erwähnt, dürfte es in vielen Fällen, etwa bei Gemüseanbau, wesentlich schneller gehen.

Ergänzt werden kann eine solche Finanzierung von einem Teilnahmeanreiz. Jede Person, die am Projekt oder einem verbundenen Projekt teilnimmt und dabei mehr als typische Freiwilligenarbeit leistet, könnte statt eines Lohns für Commons-Finanzprodukte optieren. Möglich wäre auch ein System gewichteter Arbeit, wie es von Christian Siefkes 2007 in seinem Buch Beitragen statt tauschen vorgeschlagen wurde. Es basiert auf einer Art Auktion, bei der die Teilnehmenden belohnt werden, die unattraktive Aufgaben übernehmen.

Zwar wird verschiedentlich befürchtet, von einem solchen lohnähnlichen Arbeitsverhältnis könne sich die Motivation rein freiwilliger Teilnehmer verringern. Dabei könnte man sich jedoch an Erfahrungen in Open-Source-Projekten wie dem Linux-Kernel sowie bei Vereinen und Nichtregierungsorganisationen, bei denen neben ehrenamtlichen auch bezahlte Kräfte Aufgaben übernehmen, orientieren. Auch sonst hat ein solches Commons-Projekt viel mit einem typischen Verein gemein, nur dass es eben statt eines Hobbys oder Sport um die Befriedigung von Grundbedürfnissen geht. Zudem sollten solche “lohnähnlichen” Arbeitsverhältnisse mit der Zeit immer weniger werden, wenn die Roadmap eingehalten wird und nicht freiwillig erbrachte Leistungen dank einer wachsenden Zahl von Null-Grenzkosten-Betrieben graduell automatisiert werden.

Ausblick: Schnell genug für den Klimakrisenstopp?

Man könnte nun einwenden, dass die Umstellung auf ein solches Modell viel zu langsam ginge, um eine verhängnisvolle Klimakrise noch zu verhindern. Dies sollte solche Überlegungen bis hin zur Planung von Projekten jedoch nicht stoppen. Und das gleich aus mehreren Gründen.

Einmal sind selbst bei einer langsameren Verbreitung des Commonings Effekte auf den fossilen Energieverbrauch zu erwarten – vermutlich in jedem Wirtschaftssektor, in dem diese Arbeitsweise eine Rolle spielt. In der Marktwirtschaft gibt es kaum inhärente Anreize, auf diese Energieformen zu verzichten. Zwar verursachen sie Kosten, doch wenn das Geschäftsmodell profitabel bleibt, ist dies von untergeordneter Bedeutung, da die Einnahmen diese Kosten decken.

Wie oben angesprochen, machen beim Commoning hingegen nicht nachwachsende Rohstoffe, also auch jeder Liter Öl oder jeder Kubikmeter Erdgas, die Organisation der Produktionsprozesse komplizierter und sorgen für hohe Grenzkosten bei den Produkten und Dienstleistungen. Eine eigene Förderung wäre zwar theoretisch möglich, wäre aber sehr komplex zu organisieren und würde auch dem Grundgedanken der Nachhaltigkeit und Langfristigkeit widersprechen, der den meisten Commons-Initiativen eigen ist.

Dann können viele existierende Betriebe so umgebaut werden, dass sie auf das Ziel Commoning hinarbeiten. Technisch werden oft die gleichen Verfahren und Prozesse genutzt werden, wenn auch die Automatisierung eine größere Rolle spielen wird.

Es bestehen keine Hinweise, dass Commoning an sich weniger effizient ist als herkömmliches marktwirtschaftliches Wirtschaften. Wenn die Produktionsprozesse wie im letzten Text beschrieben auf Zeiten mit hohem erneuerbaren Energieangebot beschränkt wird, könnten zwar im Vergleich zum Just-in-Time-Prinzip (JIT) geringe Effizienzeinbußen entstehen, da beispielsweise mehr Lagerkapazitäten benötigt würden. Dies wird jedoch durch mehrere Vorteile wettgemacht.

Ein Beispiel ist der weitgehende Wegfall von Werbung und Marketing. Zwar müssen auch Commons-Betriebe sich bekannt machen. Doch auch hier spielt eine große Rolle, dass Verbraucher und Commons-Projekt grundsätzlich die gleichen Interessen bezüglich der Produkte besitzen, etwa was ihre Qualität und den Preis angeht. Das Ziel ist schließlich nicht, Produkte zu verkaufen, sondern Bedürfnisse zu erfüllen. Teure Werbekampagnen und PR-Aktionen inklusive notwendiger Geschäftsreisen, die Emotionen bei potenziellen Konsumenten auslösen oder sogar ganz neue Bedürfnisse schaffen sollen, wären unnötig. Einfache, günstige oder kostenlose Kommunikationsstrategien fast ohne Treibhausgas-Footprint, etwa über soziale Netzwerke, reichen wahrscheinlich meistens aus.

Doch es könnte noch besser kommen: Wird durch erfolgreiche Projekte der Beweis erbracht, dass Commoning konkurrenzfähig zur Marktwirtschaft ist, könnte dies einen positiven Kipppunkt auslösen. Commoning könnte dann ähnlich wie beim weiter oben erwähnten Beispiel Wikipedia innerhalb weniger Jahre wirtschaftlich zumindest in einigen Wirtschaftssektoren dominant werden. Der Traum vom Auskooperieren wäre dann in Erfüllung gegangen.

Bis dieser Punkt bei materiellen Gütern erreicht wird, ist natürlich einiges an Arbeit und Planung nötig. Es könnten sich zunächst Vor-Projekte bilden, die die Umwandlung von einzelnen Produktionsprozessen auf Commoning wissenschaftlich untersuchen. Denkbar wären Simulationen über die benötigten Commoning-Lieferketten und die notwendige Rest-Lohnarbeit, und Konzepte, wie auf diese graduell verzichtet werden kann.

In vielen Branchen wird eine Commoning-Dominanz zunächst sicher utopisch erscheinen. Doch es kann mit einfachen Hacks mit kurzen Lieferketten und ausgereiften Automatisierungstechnologien begonnen werden. Wenn damit in absehbarer Zeit Erfolge erzielt werden, könnte sich schnell eine Dynamik entwickeln, die auch für komplexere Produkte mit komplexen Vorprodukte-Abhängigkeiten realistische Konzepte hervorbringt.

Wie oben bereits angemerkt wären einige Null-Grenzkosten-Betriebe schon in sehr naher Zukunft denkbar, etwa das angesprochene automatisierte Gemüseanbau-Projekt oder auch ein 3D-Druckautomat für einfache Kunststoff- oder Metallgegenstände, der den Teilnehmern frei zur Verfügung steht und mit einem Solarpanel mit Energie versorgt würde. Schon die heutigen Verkaufsautomaten können schon fast als Null-Grenzkosten-Betriebe bezeichnet werden, da sie einen Produktionsschritt – den Verkauf – vollautomatisch übernehmen. Allerdings sind nur wenige von ihnen auch bei der Energieversorgung autark. Der Schritt hin zu einem Automaten mit eigener Stromversorgung ist jedoch relativ klein.

All diese Überlegungen deuten darauf hin, dass wir Commoning eine Chance geben sollten. Die Auswirkungen auf das Erreichen der Klimaneutralität könnten jedenfalls potenziell sehr groß sein. Es wäre fast fahrlässig, es nicht zu versuchen.

Im letzten Text der Serie möchten wir einen Blick auf das mögliche Goldene Zeitalter werfen, das beginnen könnte, wenn die Klimaneutralität erreicht wurde und Commoning viele Wirtschaftssektoren erobert und auskooperiert hat. Wir gehen ein auf die möglichen Änderungen im Alltag, im Arbeitsleben, der lokalen Wirtschaftsstruktur und dem Transportwesen. Und wir stellen ein Konzept für die Bekämpfung der Armut vor, die Freie Grundversorgung.

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About Daniel Barón de Oca

Autor & investigador en Bienes Comunes e Incentivos.

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